Vorschauzeit

Letztes Jahr in Frankfurt, als ich überraschend eine Lesung auf der Buchmesse machen durfte, hiess es allerorten: Die junge deutsche Literatur kommt wieder, ja sicher. Man habe diejenige und den da und mit einem dritten werde schon verhandelt. Angeblich, munkelte man, sei die grosse Post-Pop-Literatur-Krise vorbei; dieses Ding, von dem ich bislang eigentlich noch nichts selbst mitbekommen habe ausser dem Flennen einiger Päderasten-Ideale, die trotz Jubelarien in den üblichen verdächtigen Fäuletons nur Absatzzahlen im niedrigen dreistelligen Bereich aufweisen konnten.

Jetzt ist Januar, und die Vorschauen trudeln ein. Und es schaut schlecht aus. Ganz wenig junge deutsche Auroren - nie war es leichter, als das wichtigste deutsche Debut dieses Frühjahrs in einer Zeitung, bei einem Preis oder einer staubtrockenen Akademie für angewandtes Hirnfickertum im inzestuösen Kontext zu gelten. Ein paar Leichtgewichte von den üblichen Literatenschulen, hier und da ein Preisträger, und in allen Taschenbuchverlagen die wässrige Hoffnung, aus den 03er Pleiten doch noch den einen oder anderen Euro rauszuquetschen. Zweite Hälfte 04 war ganz, ganz schlimm, wurde mir heute zugetragen. Und die Verlage sourcen das Autorentum eben in die USA zu Produktschreibern aus, die nachweislich die Märkte bedienen können.

Wird Zeit, dass sich ein gefrusteter und geschasster Verlagsboss als der Timm Renner der Buchbranche produziert und etwas Reisserisches wie "Ihr Kinderlein kommet - Geständnisse eines Debutantenpenetrators" publiziert.

Mittwoch, 12. Januar 2005, 00:28, von donalphons | |comment

 
Von der Literatur
Ja, wo sind sie denn nur geblieben, die Ende der 90er von allen inkl. MRR gehypten Kleins, Sanders, Junges, Hermanns, mit ihren vom Schweißfuß abgeschabten Titeln „Von den Deutschen“, „Ich aber bin hier geboren“ (nää, not in se ju-es-ääiii, sondern noch schlimmer), „Silberfarben“, „Sommerhaus, später“ (man beachte das die faustische Schwere signalisierende Komma), „Nichts als Gespenster“, was einen Beigeschmack von Wahrheit hat.
Über die unterdessen längst an sich selbst zum Gespenst gewordene Judith Hermann war zu lesen: „Judith Hermann erzählt mit großer Präzision von Leuten, die miteinander in Schwierigkeiten leben“, ein Satz, der insoweit schon damals ratlos mich zurückließ, als eine Sentinesse dieses Namens bei DCT mir nie aufgefallen war, obzwar doch gerade DotComTod mit rasierklingenhafter Präzision von Leuten erzählte, die, um es mal ganz vorsichtig auszudrücken, miteinander in Schwierigkeiten lebten.
In meiner Eigenschaft als einer der letzen großen Kulturinterpretatoren des 3. Jahrtausends riskiere ich die Hypothese, daß die vorgenannten Autoren nicht zeitlich zufällig, sondern im Causalnexus mit der NE aufstiegen und niedergingen: Nur vor dem Hintergrund der gestammelten Highspeed-Elevator-Pitches konnte die Tiefenbesinnung der vorgenannten Sprachtrantüten zur Erscheinung werden. Schwierigkeiten mit dem sprachlichen Ausdruck hatten sie alle. Die Geschäftsmodelle ohne Geschäft und die Literaturmodelle ohne Literatur sind die Stempel im Scheißhaufen der Epoche. Die „andere Ökonomie“ hat die andere Literatur erzwungen. Judith Hermann – sie war seinerzeit laut „Spiegel“ der „Triumph der jungen deutschen Literatur“ – ist nur ein Kollateralschaden von Bernd Kolb gewesen.

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das bei der ersten idee eines buches erhoffte zielpublikum ist leichter zu erreichen denn je, überall - zumindest hier in wien - wird gelesen, gelesen, gelesen, dann auch noch geslammt, geweblogt, gerappt, sich in cliquen versammelt und wieder gelesen, gelesen, gelesen. ins stadtfernsehen zu kommen, kein problem, wichtig zusätzlich: fast jeder kennt irgendeinen journalisten, redakteur, privatradiomacher, piratenradiomacher, kennt man einen, kennt man alle (the gap -- volltext -- fm4 --, nur zum beispiel). die öffentlichkeit die einem als künstler angenehm erscheint, ist schnell erreicht, denke ich, was braucht man da noch den umweg über einen verlag. wozu ein buch, wenn ein paar zettel / dateien reichen? <böse>da muß man sich auch nicht so anstrengen.</böse>
das ist keine verurteilung.
und: die kleinen literaturverlage haben kein geld mehr, die großen haben ihre lektoren durch wirtschafter ersetzt. die überschwemmung der frankfurter buchmesse durch billige sachbuchkopien wird weitergehen, glaube ich. sind ja alles bücher, bücher = kultur, literatur, oder?

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Literatur, Bloggs und so
Bedaure, aber Literatur bewegt sich für mich, von den Klassikern oder Genreliteratur einmal abgesehen, also im Sinne von Gegenwartsliteratur, die sich auch auf die Gegenwart bezieht, so zwischen Gabriel Garcia Marquez und Peter Paul Zahl, Tom Wolfe und Henning Mankell, niemals zu vergessen Echhardt Henscheid. Und gute Asphaltliteraten sind dann noch Steward Home oder "Chilly" (Karma & Chaos, ganz verspannt im Wenn und Aber). Aber Anjatanja Dücker, Judith Hermann etc - die und neue deutsche Literatur, das ist wie ein PR-Powerpoint neben einen Zeichentrickfilm mit Anspruch zu stellen und das dann aneinander messen zu wollen.
Merkwürdig, dass jemand überhaupt auf die Idee kommt. Eigentlich könnte man dann auch Fix und Foxi für einen Literaturpreis vorschlagen. Immerhin hat ein kulturkonservativer Antiamerikaner damit ein Jahrzehnt die deusche Kinderleserschar vom Donaldismus abzuhalten versucht, weitaus geschichtsmächtiger als... aber das erspare ich mir jetzt.

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