Real Life 05.09.01 - Damals, bei Siemens Business Services...

Die hatten in schwierigen Zeiten des späten Jahres 2001 noch ein Herz für Startups. Da gab es wirklich noch Entscheider, die die ganze Blase an gescheiterten VC-Verbrennern, arbeitslosen Rechtanwälten, hungrigen Beratern, fickbaren PR- und Marketing-Spezialistinnen und auch so böse Buffetjournalisten wie mich eingeladen haben, und uns erzählten, was wir tun sollten, um mit ihnen ins Geschäft zu kommen. Bester Tipp: "Lassen Sie ihr Nokia-Handy und Ihr Dell-Notebook zu Hause, wenn Sie mit uns verhandeln."

Ausserdem hatten die auch ein Herz für Medienkunst; ein Künstlerpaar durfte im Münchner Headquarter die Brücken über die Eingangshalle von unten mit Schwimmerinnen im blauen Wasser verzieren, was sehr nett aussah und mich immer ein wenig an die Argonauten erinnerte, die auch so eine Vorliebe für Wasser hatten. Die Kantine hätte auch eine Münchner Szenebar sein können; viel Holz, Pastelltöne, niedrige Sitze und betont entspannte Atmosphäre. Nur das Essen, das war zu Beginn wieder typisch Siemens - der welke Salat und die trockenen Brötchen, die die beiden Buffetjournalisten in "Liquide" bekritteln, habe ich in Realität hier erlebt, und die Brezen waren vielleicht Hamburg oder Shanghai, aber sicher nicht der Stadt München würdig. Aber ich habe das einmal lauthals kritisiert, worauf beim nächsten mal die Verpflegung besser war - viel besser, wirklich ordentliche New Economy Wraps.

Insofern versprach dort alles ein angenehmes Leben, nur fragten sich die meisten Gäste, die windigen Leuteschinder, Versager, Grossmäuler mit was auf die Fresse und obskuren PR-Tanten auf Dekoltee-Akquise leise, was die hier eigentlich machen würden, wenn die Mitarbeiter mal nicht in der Lounge waren oder über die Brücken in der Halle gingen. Keiner konnte diese Frage beantworten, aber was uns komisch vorkam: Die Leute, die von Siemens Business Services da waren, machten auch am Abend einen enorm entspannten Eindruck. Um 18 Uhr waren die Mitarbeiter alle schon weg...

Was arbeiten die hier, gurrte damals eine der unvermeidlichen Ketchum-Blondinen in meine Richtung, und ich sagte, dass sie wohl eher nichts machen und Siemens auf der Tasche liegen, das sei hier wohl so eine Art Schlaraffenland-Startup, wo man kluge Dinge sage und es damit gut sein lasse. Oh, gurrte die Ketchum-Blondine und machte ihre Haare auf, packte die Brille weg, ging zum Buffet, holte sich ein Wrap und lernte dabei unauffällig jemanden von SBS kennen, der dort wohl was zu sagen hatte, und der...

vielleicht heute bei diesen 675 ist, die gefeuert werden.

6 Tage nach dem Event krachten die Flugzuge ins World Trade Center. SBS hat nie wieder Startups eingaladen. Die Ketchum-Blondine wurde bald darauf bei Ketchum freigesetzt, ohne einen Ersatzarbeitsplatz zu haben. Sie war eigentlich sehr nett, aber damals waren alle nett. Am Abend. Noch. Brutal wurde es erst 2002.

Dienstag, 22. Februar 2005, 12:26, von donalphons | |comment

 
Neuesten Berechnungen zufolge...
... komme ich zumindest auf 950 Rosa-Schlüpfer-Träger, aber streiten wir uns hier nicht um 375 mehr oder weniger.

Interessant finde ich, was ich mit meinem Skalpell hier heraustrennen konnte: SBS[...]wolle gezielt nicht weiterbildungsfähige und zu teure Mitarbeiter ansprechen...

Das ist dann doch der Dolchstoß für die Zukunftspläne dieser Personen. Mag in den Zeugnissen stehen was will, wer sich aus einer von SBS gekündigten Stellung heraus bewirbt, bleibt vordergründig eben nicht weiterbildungsfähig. Wäre das nicht ein Verstoß gegen den letzten Satz im Artikel 3 des Grundgesetzes?

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Das Problem ist ein anderes: Wer bei Startups war, hat bei Siemens keine Chance. Wer bei Siemens war, hat dagegen nirgendwio anders eine Chance. Nach 10 Jahren Siemens sind die Leute in aller Regel geistig extrem blockiert. Abgesehen von ein paar Zynikern, Überlebenskünstlern und Genies, die aber garantiert nicht bei SBS arbeiten, sind die dann jenseits extrem klarer und simpler Prozesse nicht mehr einsetzbar. Der gigantische Aparaatus formst sich seine Honunculi, die aber ausserhalb der Glaskolben ihrer Abteilung unweigerlich eingehen.

Wer da rausfällt, bleibt draussen.

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Sehr schön gesagt.
Ich habe in meinen paranoiden 30 Sekunden bei "regulären" Siemensianern schon mal sowas wie ein einschlägiges Achsel- Handgelenk- Hintern-Tattoo vermutet.

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Aber, aber... der Regulierunmgs-Chip ist ganz klein und wird so präzise ins Stammhirn integriert, dass ausser einer klitzekleinen Narbe am Gesäss nichts zu sehen ist.

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...und die Narbe am Hintern hat die Form einer stark profilierten Continental-Sohle?

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"Siemens. Wir gehören zur Familie." (Du nicht mehr.)

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Siemens. Wir gehören zur Famiglia. Aber, allora, Du verschtähst, Enrico, Euer Familienzweig hat sich was zu Schulden kommen lassen, e vero, und natürlich wirst Du auch noch dazugehören, wenn Du im Beton im Hafenbecken bist ... bringt den Zement, Amici!

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