: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Freitag, 18. Februar 2005

Real Life Februar 2005 - Berlin positiv

im Pascalo-Remix.

Er meint, wir sollen uns mal wieder treffen und über Bizz quatschen, was ich denn grad so tue. Nichts, sage ich und schlage auf die Schnelle das Greenwich vor, weil er es schon kennt und auch findet, was ganz gut ist, weil er sich oft verfährt, besonders, wenn er schon besoffen vom Ruhm, vom Geld und vom Alk ist. Ich habe schon mal eine Stunde auf ihn draussen gewartet, das brauche ich nicht nochmal, bei aller Freundschaft. Klasse, Greenwich, sagt er, mit den ganzen Schnecken ist das toll, er hat den ganzen Tag nur das junge Gemüse in der Company gesehen, die sind so runtergewirtschaftet, grausam, aber da denkt sich hier keiner was, gell.

Er kommt wie ich aus der Area. Traditionell Guy. Studium meistens in der Schweiz oder den Staaten, MBA sowieso da drüben, Consulting im Bereich Development, aber dann hat er sich mit den Partnern überworfen und hat sich von diesem Laden hier anheuern lassen, dessen Management sich nach dem Big Deal abgesetzt hat. Dort füllt er jetzt die Lücken, macht ihn fit und treibt das Startup-Gefrickel raus. Das muss alles neu, besser, koordinierter werden, auf die Zukunft fokussiert, die alten Founder hatten es nur auf den Trade Sale justiert. Ohne einen Top Dog wie ihn wäre die Company ein Fall für die Wertberichtigung, und das hassen die Aktionäre.

Er braucht dann doch zwei Longdrinks, während denen ich die Zierfische im Aquarium anschaue. Einer ist todkrank, liegt schief im Wasser, und wird morgen wahrscheinlich durch ein besseres Exemplar ersetzt sein, wenn sie ihn schon längst das Klo runtergespült haben. Dem Rest der Leute ist das scheissegal, und mich lenkt die Lammfellfrau neben mir etwas ab, die ihrem Begleiter klar macht, was für Idioten doch in der Agentur als seniors rumrennen, während sie als Junior die Arbeit machen muss. Ihre Stimme ist schrill, mit einem Unterton von gelben Tabletten aus Litauen.

Er bahnt sich dann lautstark seinen Weg durch die Tür, wirft sich auf einen Barhocker und bestellt was mit viel Alk. Harter Tag heute, sorry, da war noch was zu tun, Personalanpassung in einem Bereich, der nicht mehr die Performance bringt. Klar, kein Problem sage ich, und sonst so? Alles ok, sagt er, ausser diesem Event da, und da will er mit mir auch reden, weil er von sowas nicht so den Peil hat. Weil es in letzter Zeit nicht so gut lief im Jugendmarketing, machen sie jetzt ein bisschen bessere Pressearbeit, holen die Big Shots aus den Staaten nach Berlin, und nach der PK wollen sie noch etwas Networking machen, Open End und so, aber nicht in der Company.

Klar, sage ich, logisch, die Presse will ordentlich bedient sein. Greenwich schon mal angedacht? Anfang der Woche kann man den laden sicher mieten, Geschlossene Gesellschaft, ein DJ, dann wird das hier ganz kultig, Mitte sowieso. Nicht dumm, meint er, Catering hat er schon, so was um 40 Euro pro Person, das sollte doch reichen, oder?

Mit 40 Euro, sage ich, kriegst Du jeden. Pass besser mal auf, dass nur die kommen, die ihr wirklich braucht und nicht die freien Fresser, die abzocken und danach doch wieder schreiben, dass ihr Abzocker seit, weil die Redakteure mal wieder vergessen, wer sie eigentlich am Leben erhält. Ach egal, sagt er, das ist kein Ding, wir setzen sowieso nur auf Jugendmedien, Zielgruppe ist klar, Bravo und sowas, dann noch ein paar TV-Leute, das ist alles was wir brauchen. Nur den Shuttleservice müssen wir dann hinbekommen, und das soll auch poppig sein, Mitte,was man so erwartet.

No Prob, Mann. Im Wedding gibt es einen durchgeknallten Typen, der alte Caddies sammelt, in allen Bonbonfarben, und wieder herrichtet, so wie die Jungs in Pimp my Ride. Derr hat eine ganze Flotte davon, echt asozi Zuhälterschlitten in candyrot, quitschgelb und pillenrosa, und die kann man einfach mieten, für 3, 4 Stunden; die Jungs aus seiner Werkstatt fahren die auch, es gibt geile Boxen drinnen, mobile Discos, das würde exakt Eurem Branding und der Zielgruppe entsprechen.



Super, das ist genau das, was wir brauchen. Mann, sagt er, weisst Du, ich hab heute so viel Scheisse in der Arbeit gehört, den ganzen Tag Gesülze, welche Eventagentur und wie das wirken soll, alles Grütze ja, und dann gehen wir weg, und peng ist das Konzept da. Ich zucke die Schultern und sage was von Munich Area Veterans, und er grinst, weil er meine andere Geschichte kennt und nur die: Die des in der Szene wohlbekannten Beraters, der auch für die letzten Schweinereien immer noch ein sozialverträgliches Branding hatte. Refinement of Human Capital, oder Sprüche wie "Sagt den Praktis, sie sind Human VC" - das hat denen damals gefallen, in the old days of 99, we gonna party like it´s... Mann, sagt er, warum arbeitest Du nicht für uns? Danke, sage ich, ich kriege hier schon Züricher Löhne in Berlin, für einen lockeren Job, und für Euch bin ich zu alt. Hey, ich mein, ich kann noch nicht mal ne SMS schicken. Du hast Dich seit damals nicht verändert, immer noch der, der die anderen in die Hölle schickt, sagt er, und einen Moment schauen wir uns in die Augen, und er wird etwas unsicher.

Er erzählt mir dann noch, dass er Berlin inzwischen echt klasse findet, weil alles so irrsinnig billig ist, die Putze, die er schwarz beschäftigt, die Nutten, die er sich kommen lässt, weil Zeit für eine Freundin hat er hier nicht. Die in der Company machen sich an ihn ran, aber das macht er aus Prinzip nicht und wenn, dann hat das absolut nichts zu sagen, nichts Dauerhaftes, weil wenn sie wollen, dann kriegen sie es auch, aber nicht mehr. Klar, sage ich. Wir veranstalten noch einen Zück-und-Brüll-Wettbewerb beim Bezahlen, den er mit seiner Centurion-Card gewinnt. Die Lammfellfrau schaut ihn bewundernd an, manchmal ist es wirklich that simple. Wir gehen. Der kranke Fisch im Aquarium scheint sich etwas erholt zu haben. Vielleicht täuscht er auch nur Gesundheit vor, um morgen nicht final in Richtung Spülung gekündigt zu werden.

Berlin kann echt schön sein. Es gibt jedenfalls Leute, die sich hier wohlfühlen, keine Frage. Rundum positiv.

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Hehe

Was Nettes aus den Referrern: Search request: jamba abo stornieren

Update: Platz 1! für diesen Beitrag.

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Karriereleiter, aussen

Edelstahl, rostfrei, beständig und pflegeleicht. Manchmal etwas glitschig, wenn Schnee oder anderes glibbriges Zeug drauf ist. Trotzdem sind Elite-Studenten hier weitaus schneller oben , als über die grossen, langgezogenen Treppenfluchten innen.



Vermutlich schiessen sie hier ihre Bewerbungsphotos. Fast so gut wie FFM City, und mindestens ebenso sauber. In gewisser Weise sogar besser als FFM, denn von dort oben aus müssen sie keine störenden Junkies ansehen oder stinkende Freier, sondern nur Glas, Stahl und Grünflächen mit Golfrasen. Irgendwo weit hinten kommt dann die Ruine einer Giesserei; tote Old Economy, die ihnen ein überhebliches Lächeln ins Gesicht zaubern wird.

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