Sehr zu empfehlen I: Stuck 2

Nachdem wir uns also einig sind, dass die weitere Gestaltung unseres Daseins ohne Stuck uns in die Niederungen von Ikea und Roller Möbelmarkt drückt, oder zumindest diesen Absturz nicht a priori auszuschliessen in der Lage ist, blicken wir in unsere Brieftaschen und stellen fest, dass der uns erhebende Stuck leider, leider, hoffnungslos teuer ist.

Als ich vor 8 Jahren den ersten Raum gemacht habe, gab es noch keine Online-Shops. Ich ging zum lokalen Stuckateur, fragte nach den Preisen und entschied mich dann für eine Minimalvariante mit einem Gesims im Vorraum und zwei Spiegeln im Hauptraum (zur Erklärung: Gesims sind die an den Kanten zur Decke umlaufenden Leisten, Spiegel bilden die direkt an der Decke oder Wand befestigten Leisten). Alles andere hätte mich damals nach dem Magister ruiniert., bei einem Meterpreis von schlappen 40 Mark für die schlichtesten Einsteigermodelle.

Nun, die Zeiten des Mangels sind vorbei, nicht dank Preisvergleich im Internet, sondern dank einer Neueröffnung in einem Lagerhaus in Berlin a. d. Spree, da, wo früher mal Startups reinsollten.



Jetzt wird dort Stuck verkauft; viel und günstiger Stuck, und nach dem für uns umgeschriebenen Wittelsbacher-Motto

Zu München will ich zehren
in Ingolstadt verkehren
zu Berlin die Schätze mehren


ertönen bei derartig grossen Fassadenschildern und kleineren 20%-Neueröffnungsrabatt-Zetteln an der Tür die bayerischen Reifen unseres Puntos mit einem giergeilen Quieken, wir halten an und gehen hinein:



Hier gibt es viel. Nicht alles vielleicht, aber zumindest das, was man in den üblichen Grössen von unserer Dachkammer werdenden Bibliothek bishin zur Grossbürgervilla braucht, und Palastbesitzer sind ohnehin nicht die Zielgruppe dieses Blogs, die machen sowas ja nicht selbst. Es gibt eine grosse Auswahl an klassischen, gekehlten Gesimsen in allen Grössen zwischen 5 und 20 Zentimetern - wer mehr braucht, nimmt entweder Gesims mit floralen Motiven, was dann aber etwas in Richtung Historismus geht, oder kombiniert die Gesimse mit einer parallelen Leiste an der Wand. Das ist klassisch, trägt nicht weiter auf und ist zudem günstiger, denn Leisten sind auch in grossen Mengen da, inclusive aller nötigen Abschlüsse:



Wir entscheiden uns für Gesims mit Balusterkehlung, was recht zurückhaltend und neutral ist. Generell wirkt es ruhiger und nicht so protzig, wenn in einem Raum nach oben hin die Dekorelemante abnehmen, und gerade niedrige Räume sollte man am Übergang zwischen Wand und Decke nicht überfrachten. Aber ganz ohne Luxus soll es nicht bleiben, und deshalb setzen wir an die Decke einen Innenspiegel mit ebenfalls extrem klassischen, in der Antike entwickeltem Eierstabmotiv und Palmetten in den Ecken. Diese Kombination ist zeitlos und taugt eigentlich für so ziemlich jeden Stil ausser Roccoco. Und harmoniert auch mit dem Medaillon des grossen, ca. 40 Jahre alten Täbriz-Teppichs, den wir für den Boden erworben haben:



Das ganze kostet uns für 20 Meter Gesims und 10 Meter Leisten und 8 Eckelemente in echtem Gips weitaus weniger, als damals die paar Meter bei uns daheim - weniger als 100 Euro. Wer Interesse hat: Hier ist der Laden zu finden. Die Leisten mit 2,44 Meter Länge passen genau in das Auto.

Ein Wort noch zum Material: Es muss nicht Gips sein. Auch frühere Zeiten haben geschummelt, man findet im Biedermeier viel Pappmachee oder verputzte Holzstückchen, und das einzige, was zählte, war der optische Eindruck. Dauerhaftigkeit spielte bei den sich ständig ändernden Moden keine Rolle, Arbeitskraft war billig, und man hätte im Reich des Sonnenkönigs sicher auch Styroporstuck genommen, denn 20 Jahre später hat man die Dekoration neu gemacht - unser Konservativismus, der auch noch dem letzten bröckelnden Farbrest nachjagt, hätte man damals als ziemlich exzentrisch empfunden. Für Louis XIV. täte es auch Styropor. Zudem ist Kuststoff erheblich leichter zu verarbeiten, solange es um das Anbringen geht.

Kann man also machen. Wenn man alles in 10 Jahren sowieso wieder neu macht. Nach dem zweiten Mal ist es auch ohne Arbeitszeit schon teurer als echter Stuck. Und spätestens, wenn von oben mal Wasser durch die Decke kommt, hat man mit Styropor ein echtes Problem - da hilft dann nur noch wegmachen und entsorgen. Echter Stuck ist erst mal etwas teurer und schwerer zu befestigen, aber danach hat man ein paar Jahrhunderte seine Ruhe.

Donnerstag, 19. Mai 2005, 20:02, von donalphons | |comment

 
Warum nur Berlin...
Danke für den Tip.

Der Stuck schaud ned schlecht aus und wär grad recht für's Haus. Nur warum grad Berlin? Durch Tschechien is a Tschoch, und durch Bayern a braader Weg vom Waldviertel aus.

Mal schaun wie ich den Trip irgendwie unterbring.

(Styropor hat halt noch den Vorteil, daß bei dem Mangel an rechten Winkeln und geraden Linien der Styropor subtil biegsam ist. Gips nicht)

... link  

 
Dann muss man halt etwas mit Mörtel nachfüllen. Styropor soll den Nachteil haben, dass sich dann schnell Risse bilden. Gips kann man bohren und verschraubemn, und das hält dann.

... link  

 
klingt vernünftig. bis zum Stuck hab ich ja noch ein Zeiterl. Erst muß die Decke mal oben sein. Vielleicht fahr ich dann doch noch nach Berlin.

... link  

 
Die verschicken wohl auch, wenn ich das richtig verstanden habe.

... link  

 
@Es muss kein Gips sein: Stuck ist qua definitionem eine Mischung aus Gips, Papmaché und Leim.

... link  

 
Es muss kein Gips sein und auch kein Styropor
Jeder vernünftige Malereinkauf (da, wo die Profis einkaufen, aber auch interessierte Heimwerker etwas bekommen, kein Baumarkt mit selbstaussuchen, sondern mit Theke - guckstu gelbe Seiten) sollte das auch in festem Kunststoff in verschiedenen Schnörkelprofilen mit streichbarer Oberfläche besorgen können. Ich hatte das vor 15 Jahren für eine Wohnung in Köln-Mülheim im denkmalgeschützten Altbau, in 60 und 30 cm Durchmesser für die Mitte. Und da gibts auch Formteile für die Wand.

... link  


... comment