: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Samstag, 16. April 2005

Kontextsensitivität beim dwk2005 punkt de

Es ist einer schlechtere Ecke des ohnehin nicht so tollen Bezirks Kreuzbergs, den die Phantome der Yuppies, wenn es sie je gegeben haben sollte, nie betreten haben. Von der Spree bis hier ist ein sozialproblematischer Block am anderen, dann kommt ein Rondell mit ein paar freigebombten Flächen, ein Flohmarkt der untersten Kategorie, und dann wieder ein Blockviertel nach aufgelassenen Industrieanlagen. Und hier ist dann dieses grosse Plakat, gestaltet und mit viel Gefühl für den richtigen Ort und das erreichbare Zielpublikum gebucht vom Deutschen Werbe Kongress. Der heisst wirklich so, mit Idiotenabstand zwischen Werbe und Kongress, Alleinstellungsmerkmal rules, und hey, wir können texten, da muss man nicht schreiben können.



Dankenswerterweise zeigt das Plakat den Bettlern, den Alkis, den arbeitslosen Müttern, den orientalischen und russischen gebrauchtwarenhänlern und natürlich auch mir als ihrem besten Kunden in Sachen Tafelsilber, Seidenteppichen, KPM-Porzellan und ähnlichen in Berlin nicht mehr gewünschten Zivilisationsabfällen, wie diese Köpfe der Werbung, die sich am 12. Mai treffen, aussehen. Genau so, wie ich sie kenne. Idealtypisch von links nach rechts:

1. Die fette Glatze. Der Agenturgründer, der seine Inspiration beim Warten im 911er vor einem Gymnasium holt, wenn er auf die 17-jährige wartet, die so aussieht, wie die Dinger auf seinem Powerbook. Seine letzte zündende Idee ist 20 Jahre her, aber er ist für die anderen immer noch der, der damals vor zwanzig Jahren diese Idee hatte. OK, eigentlich war die Idee geklaut, aber das hat ja keiner gemerkt. Die Pitches versucht er, schon im Vorfeld durch Bestechung bei den Vergabestellen klar zu machen. Wieviel Geld für sowas in der Kriegskasse ist, hängt vom Kokskurs ab.

2. Der Kreative mit dem eingefärbten V in en künstlichen blonden Haaren. Er versteht einfach nicht, dass seine bei japanischen Mangas geklauten Klischees dem Schraubenfabrikanten nicht passen. Dumme, alte Sau das. Zum Glück gibt´s ja noch E und Pillen und Praktis zum Ficken, wenn er nicht gerade selbst den Allerwertesten für einen Unitleiter hinhält, den er "Papa" nennt. Versucht immer, seinen Provinzdialekt zu unterdrücken. Der garantiert ihm, dass die anderen Mastdarmakrobaten seine Entwürfe auch weiterhin toll finden. In drei Jahren ist er dann auch in der Mittelebene der Agentur angelangt.

3. Die blonde, attraktive, etwas dumme Kundenbetreuerin, Senior Creativ Consultant und so weiter. Hat sich nach vier Jahren Praktikum dann doch noch die feste Stelle ergattert, nachdem alle schon mal auf ihr rumgeturnt sind. Inzwischen aber in halbwegs festen Händen bei einem Entscheidungsträger beim Kunden, seitdem lässt man sie in Ruhe. Glaubt, dass von ihr das Überleben der Firma abhängt, und lässt es alle spüren. Krankhaft eitel, geistig aber schon von einer Brigitte-Kolumne überfordert, schaut sich deshalb immer nur die Bilder in der amerikanischen Vogue an. Findet dort laufend Anregungen. Kritzelt beim Telefonieren, nimmt immer das Handy.

4. Die nicht mehr attraktive Pseudochefin mit der Wischmob-Frisur. Hat letztlich das Sagen und das Keifen. Ist total inkompetent, aber leider schon immer dabei und hat 10 jahre Erfahrung im Rausekeln von besseren Leuten. Säuft wie ein Loch, damit die anderen Drogen nicht so auffallen. Hat immer panische Angst, dass jemand mal mitkriegt, dass sie eigentlich nur eine Ex-Sekretärin mit grosser Klappe ist. Kommt entweder aus Berlin oder Düsseldorf. Hasst sich selbst jeden Morgen, weil sie einen Moment begreift, dass sie tatsächlich diesen scheusslichen Mund und die Falten hat, und greift zur Flasche. Wenn sie auf dem Kongress hackedicht ist, wird sie vergebens versuchen, einen Schwulen dazu zu bringen, sie zu ficken.

5. Der junge, proppere Berater, der von der Beratungsfirma oder der PR-Agentur kam. Hat BWL mehr schlecht als recht studiert, und dann bei seinem Kumpel angeheuert, der gerade die tolle neue deutsche Dependance eines Global Players aufgezogen hat, aus der er dann geflogen ist, um bei der Agentur anzuheuern. Hat sich zwei Jahre die Potemkinschen Dörfer von innen angeschaut, gedacht, dass er das auch kann, und beherrscht inzischen Powerpoint aus dem FF. Seine Bibel heisst Brand1, sein aktiver Buzzwordschatz wäre beim IPO ein paar Milliarden wert, wenn es denn nur ab und zu mit den Ideen klappen würde.

Und das alles kommt nach München. Arme Stadt.

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