: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Montag, 4. April 2005

Das nicht vorhandene Geräusch des Reichtums

Reichtum ist meistens lautlos. So auch hier, wo du gerade bist. Es ist ohnehin niemand da. Deine Eltern sind ein paar Tage im Süden, nettes Hotel mit gutem Restaurant, und schon vorher gebucht. Es ist nicht mehr so, wie es war, als sie dich und deine Schwester einfach in die Limousine gepackt haben und mit damals üppigem Tempo 180 Richtung Brenner sind, ohne Buchung, einfach los Richtung Meer oder Gebirge, und gehalten wurde nur, wenn deine Schwester nach der Überdosis Schokoeis mal wieder kotzen musste. Das ging oft so, und wahrscheinlich gibt es keinen Kilometer der von deinem Vater so heiss geliebten Brenner Staatsstrasse mit ihren Kurven, den deine Schwester nicht vollgekotzt hat. Jetzt fahren sie ohne Kinder, mit Vorbuchung. Du bist zu Hause und passt auf die Katze auf.

Und auf die turmversehenen Villen deiner ehemaligen Nachbarn. Die sind auch in Urlaub, ganz klassisch Malle die einen, Krisenprävention in Norddeutschland die anderen, weil die Ehe der Tochter sich rapide zu einem Scheidungsfall mit Gütertrennung entwickelt, und das wäre für diesen Clan ein eher unvorteilhafter Deal. Lieber nochmal soweit kitten, dass man einen Ehevertrag hinbekommt, und dann der Bruch. Aber das braucht Überredungskunst, und deshalb sind sie erst mal ein paar Tage im Norden. Nachdem sie sich ein paar Tage vorsorglicher Entspannung im Süden geleistet haben. Und auch in vielen anderen Häusern schaltet die Alarmanlage künstlich die Lichter ein. So ist das hier im Frühling - die Feriensaison hat begonnen, für die, die hier in den 70ern und 80ern sich architektonisch verewigt haben.



Aber es ist sehr still hier. Nur die Vögel, ganz selten mal der Kleinlaster der Gartenpfleger, hier ob ihrer universellen Einsetzbarkeit auch "Muckimänner" geheissen. Die meisten Restfamilien teilen sich hier jeweils einen Muckimann. Sonst rührt sich wenig. Die meisten Kinder sind längst erwachsen, studieren oder wohnen woanders. Einzige Ausnahme ist der Versager in der Parallelstrasse mit seinem Lotus und seinem Ferrari, der zwar eine Visitenkarte, aber keinen echten Beruf hat. Der ist hier manchmal laut.

Du hast dich inzwischen an die Abwesenheit von Geräuschen und Ereignissen gewöhnt. Dein Tagesablauf wird von der Katze bestimmt, die sechsmal was fressen und 30 mal rein und raus will. Das Leben hier erfüllt die Menschen mit Zufriedenheit und Ruhe, und du fragst dich, ob alle Dynamik und Anstrenung, Engagement und Speed in den anderen, grossen Städten nicht nur eine Folgeerscheinung des Zwangs ist, die Miete zusammenzukratzen und dauernd dem drohenden finanziellen Engpässen zu entgehen. Hier beeilt sich niemand. Hier gibt es keinen Grund, sich selbst oder irgendwas zu hinterfragen. Hier ist es ruhig, und von den Turmzimmern kann man hinüberblicken zum kräftigen Zinnoberrot des Tennisplatzes.

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Deklaration

Kraft des mir von meinen Vorfahren gegebenen Dachgartens und seinen hochherrschaftlichen 20 Quadratmeter in unverbaubarer Lage 16 Meter über der Altstadt und mit grandiosem Panorama auf eine Asamkirche, ein schlossähnliches Amtsgericht, ein Elitessen-Wohnheim und ein Kloster des 18. Jahrhunderts gebe ich bekannt:



Die Dachgarten-Saison ist eröffnet! Unter mir wuseln die Elitessen, über mir sirren die Schwalben, es ist Frühling und ich habe jetzt schon 12 Stunden volle Sonne. So ist das Leben in der Provinz - wonnig und sonnig. Und müsste ich nicht demnächst wieder nach Berlin, dann wäre es schön und gut so.

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Kaum mach ich am Montag das Internet ein,

schon stolpere ich über die erste komatöse Halbleiche - im Endemolschen Dorf geht wohl die Quotenpest um. Oder ist es die Grossmaul- Gierklauenseuche? Rinderwahn im Endstadium? Geflügelpest unter Castinggockeln? Gut, da zuckt noch was. Aber die Zeichen sind unverkennbar. Hoffentlich machen sie damit einen ordentlichen Verlust, gehen drauf, verrecken im Strassengraben, irgend so was, bitte schnell und nachhaltig, Firma dankt für 20 Punkte.

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Sex.

Ich habe ein Buch geschrieben, in dessem untersten Untertitel ganz in Rot das Wort "Sex" neben "Drogen" und "Luxus" steht. Wer mich kennt, weiss allerdings, dass ich noch nicht mal Alkohol trinke, eher sparsam bin, und dank Praxiserfahrung vielleicht über Sex reden kann - aber ich muss gestehen: Schreiben über Sex fällt mir sehr schwer. Weshalb es in besagten Buch zwar zu einigem Sex kommt, im Durschnitt alle 60 Seiten, der Autor sich aber um die direkte Beschreibung herumgemogelt hat - was bei einer grösseren Menge an Sex auf Dauer etwas schwierig war.

Nun sass ich vor zwei Wochen mit Don Dahlmann und Chile zusammen und besprach die am Donnerstag stattfindende Lesung, und als die Frage aufs Thema kam, sagte jemand ziemlich grossmäulig: "Sex, F....., Bettgeschichten, schlechtester Sex seit je her..." Ich sah mich ob dieser Dreistigkeit erstaunt um, welcher verrohte Kerl das wohl gesagt hatte. Don Dahlmann war es nicht, Chile bestritt glaubhaft, es gewesen zu sein, also blieb eigentlich nur ich übrig, obwohl mir als Sohn aus besserem Hause dergleichen Äusserungen ganz sicher nicht die seidenbeschlagene Wiege gelegt wurden. Schamerfüllt fügte ich noch an "Und natürlich auch die Anbahnung desgleichen..." - und die anderen haben mich nicht abgehalten.

Nun war mir bekannt, dass die anderen an der Lesung teilnehmenden AutorInnen Sex und Beziehung als ständiges Thema in ihren Blogs haben und das gezielt zum Eigenmarketing nutzen - aber ich? Hier gibt es doch keinen Sex, Don Alphonso lebt keusch und zurückgezogen, und wenn dann doch mal was passiert, ist da bestenfalls ein Bild mit ausgezogenen Schuhen, aber das kann man nicht vorlesen. Und so sitze ich hier und krame in meinen alten Geschichten und erkenne: Ich hatte zu wenig Sex und viel zu wenig Texte dazu. Das kann ja heiter werden, am Donnerstag bei Johhny.

Trotzdem einfach unter donvsdon@gmail.com anmelden - selten werden sie ein so rotwangiges, früher grossmäuliges und jetzt schamhaftes Nervenbündel in einem Smoking auf einer Bühne vor einem Mikrophon gesehen haben, neben einem Routinier wie Don Dahlmann und drei schönen Frauen, die mich spielend an die Wand lesen werden.

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