: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Freitag, 13. Mai 2005

Heute Nacht ist es soweit -

das ZDF wird wohl einen Beitrag in der "Heute Nacht" Sendung bringen, starring Herausgeber Kai Pahl, sowie den werten Damen Elfengleich und Anke Groener.

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Real Life 12.05.05 - Stupsnase

Du gehst mal wieder hin. Weil es dazu gehört, weil du dich ohnehin noch verabschieden willst, und keine Lust hast, das mit einer Rundmail zu tun, wie so viele, die im letzten Jahr verschwunden sind. Nicht wirklich verschwunden, aber eben den Status gewechselt haben, und wer Freier ist, wird nicht mehr eingeladen. Da muss schon ein Titel auf der Visitenkarte stehen, sonst geht nichts bei diesen Treffen, die manche als exklusiv bezeichnen, um zu beweisen, dass sie dazu gehören. Dass sie nicht lang um Interviews betteln müssen, sondern alle Entscheidungsträger dank dieser kleinen, angeblich feinen Stiftung zwischen Vortrag und Buffet mühelos sprechen können. Zugegeben, es ist praktisch, die Leute eingeflogen zu bekommen, aber das Thema nervt, die angekündigten Vorträge sind konsensorientiert, und so früh am Morgen sind die ohnehin noch schlecht drauf, von was auch immer.

Gleich zu Beginn kommt das, was an so einem Tag wohl unvermeidlich ist: Der Leiter spricht das deutsche City Ranking an, das Berlin auf Platz 48 von 50 sieht, und gibt der Hoffnung Ausdruck, man werde die angeblich so schwache Dynamik an diesem Morgen zu heben wissen. Zwei Stunden später ist man sich einig, dass Reformbedarf besteht, um das Land wieder auf den gebührenden internationalen Spitzenplatz zu bringen, dass deshalb jetzt etwas getan werden muss und die Umsetzung der eigenen Konzepte das bringt, was die der anderen bei allem in diesen noblen Räumen gebotenen Respekt nicht vollbringen werden, wie das der im Dienste der eigenen Seite stehende, unabhängige Experte so klar dargelegt hat. Zwischendrin hat man dir die Peinlichkeit nicht erspart, dich als Quasivertreter dreier ausländischer Gruppen zu dem Thema zu äussern. Du hast die Bundesregierung gelobt, was dir die Höchstrafe eingebracht hat; die Bemerkung, dein Ansatz wäre "unkonventionell".

Aber da sind die wichtigeren Leute schon lange wieder gegangen, es bleiben ihre mediokren Stellvertreter und die Experten, die noch ein wenig debattieren, bevor es an einem Tisch voller unlesbarer Fachpublikationen und gekauften Studien vorbei zum Buffet geht. Du machst deine Runde, schüttelst Hände und erklärst, dass dies dein vorerst letzter Besuch war, und dankst für die anregenden Debatten. Sie nehmen es bedauernd zur Kenntnis, denn du warst in deinen vielen Rollen sehr praktisch für sie; jetzt müssen sie vielleicht drei oder vier andere einladen, um nochmal diese Anhäufung von relevanten Gruppen aus In- und Ausland zu bekommen. Die Pressechefin nimmt die Neuigkeit mit gebührenden Worten auf, und dann ist da nur noch die Volontärin, die dich die ganze Zeit über betreut hat.

Sie hat es bald hinter sich. Sie war hier ein Jahr in Sicherheit, hatte einen Job und seit sechs Monaten, seitdem die Bundesregierung nicht ohne Rachsucht die Fördermittel zusammengestrichen hat, auch die Sicherheit, dass sie nicht übernommen wird. Das hat sie sich so nicht vorgestellt, als sie hier aus dem Westen hergezogen ist, mit ihrem Diplom nach dem Highspeed-Studium und ihren Fellowships. Überhaupt hat sie nicht das bekommen, was sie erwartet hat. Ihr Berlin war nur ein paar Quadratkilometer gross, in etwa so klein wie die letzte deutsch besetzte Zone vor dem entgültigen Zusammenbruch. Ein länglicher Schlauch, beginnend beim Radisson vor dem Alexanderplatz bis zum Regierungsviertel, und dahinter begann die verbotene Zone. Das Berlin, das laut Planung der Stiftung seit gut 5 Jahren überwunden sein sollte, und das mit seinen Baustellen, Investitionsruinen, Leerständen und dreckigen, Strassen aufreissenden Bauarbeitern nicht vorzeigbar ist. Aber zumindest hier drinnen müssen sie vorzeigbar sein, und so geht ein grösserer Teil ihres nicht üppigen Gehalts für Garderobe, Friseur und Maniküre drauf. Sie grenzt sich instinktiv von den Trümmern und der Armut ab, ohne mehr zu sein als eine kleine, austauschbare Funktionseinheit in einer nicht wirklich gut laufenden Institution.

Sie ist, wie sie dir am Telefon mal erzählt hat, Sternzeichen Löwe, und sie trägt auch einen kleinen golden Löwen an einer Kette, mal um den Hals, oder, wenn die Perlenkette angemessen erscheint, um den Arm gewickelt. So wie heute. Botschafter aufwärts ist Perlenkettenzwang, der Löwe baumelt sacht an ihrem viel zu dünnen Handgelenk, als du sie begrüsst.



Als du vor ein paar Tagen einkaufen warst, hast du ein Netsuke gefunden; eine muskulöse, kräftige Berglöwin, die aufmerksam, angespannt lauert und auch eine hübsche, zarte Stupsnase wie sie hat. Und leicht, dezent lächelt, wie das hier in diesen Räumen üblich ist. Du hast es gekauft, und wartest auf den richtigen Zeitpunkt. Die Masse der Leute ist längst am Buffet und versucht, die Schnittchen halbwegs ohne Kleckern an zu kleinen, aber immerhin eleganten Marmortischen zu essen. Am Rand des Raums fällt es nicht auf, dass sie dir von ihren Bewerbungen erzählt, die wenig Resonanz erzeugen, von ihrer Bereitschaft, alles und überall zu tun, und von der bedauerlichen Tatsache, dass auch ihre hier entwickelten Netzwerke nichts gebracht haben. Alle, sagt sie, ziehen aus Berlin die Ressourcen ab, nach Brüssel, Köln, Frankfurt, London, München und Paris - aber wem erzählt sie das. Mit jedem, der geht, rückt die kaputte, verseuchte Stadt einen Menschen näher an diese reinliche, gepflegte Welt heran und beschneidet ihre Spielräume. In den nächsten Tagen macht eine Freundin in der französischen Botschaft ihre Abschiedsparty, da werdet ihr beide sein, und danach vorbeilaufen an den sauberen, früh verlassenen Cafes unter den Linden, geschaffen für Erfolgsmenschen, die es hier nicht gibt.

Es ist wie damals, denkst du in dir, wie es dir der amerikanische Bomber-Veteran erzählt hat: They lost, because they simply ran out of Nazis. Diese Hauptstadt verliert, weil die potentiellen Träger ihrer Ideologie und Wünsche verschwinden. Die Realität hinter den Durchhalteparolen, die Cicero und Monopol verbreiten, ist eine Groteske, ein durch Haushaltssperren bedingter Totentanz, der sich seine Bühnen durch Kooperationen mühsam sichert, nur damit dann im Publikum die üblichen wichtigen Personen dieser entwurzelten Bad Godesberger Republik eine Weltstadt vortäuschen. Bald wird auch diese Institution anfangen, ihre Reihen hinter den Kulissen mit kostenlosen Praktikanten aus Mitte zu füllen, und dann steht hier eben kein dunkelblondes, lupenreines Mädchen aus besserem Hause mehr, das ohnehin nichts zu tun hat, ausser einem anderen ihr Leid zu klagen.

Langsam ist das Buffet weggefressen, die Experten verschwinden in Richtung der wartenden Taxis, und es wird auch für dich Zeit zu gehen: schliesslich ist dein und ihr Verhalten, wenn es auffallen sollte, höchst unkonventionell. Sie sagt, sie weiss nich nicht sicher, ob sie zu Adeles Abschiedsparty kommt, da ist auch noch ein Termin in der American Academy, wo sie hin müsste, insofern... ist das vielleicht schon der Abschied. Du sagst überdeutlich, um Floskeln auszuschliessen, dass sie jederzeit in München oder der Provinz willkommen ist, ausserdem, in München geht es ja wieder aufwärts, Platz 1 des Städterankings, sie soll sich das mal überlegen, und gibst ihr das Netsuke. Am Zucken ihrer kleinen Stupsnase erkennst du, dass sie sich wirklich freut.

Draussen, unter den zugigen Linden, ist es bitterkalt.

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One Night in Hong Kong

Immer das gleiche, alte Spiel, wie damals, immer neu, immer aufregend.



Nie war die New Economy schöner als hier, als alles schon in Trümmern lag und die Zeit vorüber war.

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