JWD

Während andere Städte und Regionen die New Economy als rettenden Strohhalm ansahen, war sie in der Provinz etwas, das man sich eben auch noch leistete - schliesslich war das damals schwer in Mode, und bei solchen Themen wie Innovation und Fortschritt sind die hiesigen Politiker immer vorne mit dabei. Existenzgründerzentrum. Gründer- und Technologiezentrum. Man will ja mit der Zeit gehen.

Nur... wohin damit? Die Provinz ist verschlafen und will das Zeug nicht in den Stadtmauern sehen. Also lieber hinaus damit, an die Autobahn, ins neue Industriegebiet, auch der guten Anbindungen wegen; ausserdem kann man dort so bauen, wie die Zukunft nun mal aussehen soll; voller Licht, Glas und Stahl, passend und noch etwas hübscher als die Raffinerie dahinter.



Gleich nebenan entsteht ein Factory Outlet Center, das die gleichen Politiker nach jahrelangen Kämpfen durchgesetzt haben. Im Moment macht es aber den Anschein, als hätten die Investoren den Mut verloren; der Bau stockt angeblich, und die Prognosen sind nicht wirklich vielversprechend.

Zukunft made in Bavaria.

Dienstag, 28. Dezember 2004, 22:10, von donalphons | |comment

 
Wenn es draußen dunkel wird ...
Gerade um diese Jahreszeit kann man bei den Technologie- und Gründerzentren einen schönen Test mache. Man gehe um ca. 17:30, wenn es draußen dunkel ist, hin und zähle die Fenster, in denen noch Licht brennt. Man wird feststellen, dass etwa 20 Prozent noch hell erleuchtet sind. Obwohl man doch glauben sollte, dass alle Existenzgründer hart bis tief in die Nacht arbeiten. Nun, das tun sie tatsächlich. Wieso sind also 80 Prozent der Fenster dunkel? Hier die Erklärung:

* 20 Prozent der Büros werden belegt durch irgendeine XYZ-Innovations-Technologie-Transfer-GmbH finanziert aus Landesmitteln, die sich eine 4-stufige Hierarchie leistet angefangen vom überflüssigen Geschäftsführer runter zu den wirklich produktiven Jobs (ein und eine halbe Sekretärinnen und der wichtigste Mann: der Hausmeister).

* 20 Prozent werden belegt durch Außenstellen von Dienstleistern für Existenzgründer, denen man das Privileg einer preiswerten Büroeinheit zugesteht (Allianz-Versicherung, Steuerberater, Sparkasse, Büroservice, ...). Diese Außenstellen verwenden etwa 80 Prozent ihrer Arbeitszeit mit Aufgaben aus der Zentrale und den Rest mit dem Verkauf von Dienstleistungen an Existentgründer (Kredite, Versicherungen, etc.), also mit den Produkten, mit denen durch Existenzgründungen hier in Deutschland wirklich noch Geld verdient wird.

* 20 Prozent der Firmen sind reine Professorenbuden. Erkennbar daran, dass man die Woche über gar keine Mitarbeiter in den Büros sieht, also auch tagsüber nicht. Ab und zu kommt dann ein an der Hochschule auf einer öffentlich-rechtlichen BAT II - Stelle beschäftigter Assistent mit einem Industriekunden vorbei und verkauft zum Wohle seines auf einer öffentlich-rechtlichen C3 oder C4-Stelle beschäftigten Professors eine an einem öffentlich-rechtlichen Institut mit Steuergeldern entwickelte Software.

* 20 Prozent der Bürofläche werden aufgrund der in den öffentlich-rechtlich finanzierten GmbHs üblichen Kungeleien vermietet. Etwa, indem dort ein Professor Teile seines Instituts wegen natürlich begrenzter universitärer Immobilien (Hochschulbaufinanzierung) auslagern darf über mehr als 10 Jahre hinweg, obwohl einem Existenzgründer normalerweise nach 5 Jahren die Tür gewiesen wird. Letzteres lässt sich aber auch leicht umgehen. So ist mancher Existenzgründer dort schon seit 15 Jahren in der Gründungsphase.

* 20 Prozent sind echte wenn auch etwas alt gewordene Existenzgründer. Ja es gibt sie, und sie arbeiten dort auf ihren Exit oder Exitus hin. Dort sind tatsächlich auch nach 17:30 noch die Lichter an.

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Wenn es so wäre, fände ich das nicht so schlimm. Aber wenn man sich die Firmenliste ansieht:

http://www.egz.de/firmen.htm

Dann sind das die üblichen prekären Existenzen. Im "goldenen" Ingolstadt werden sie ins EGZ abgeschoben, im Rest der Republik fallen sie nicht auf.

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mir kommt da irgendwie eine sinnvolle Anwendung der "blinkenlights" in den Kopf: AktivitätsillusionImageverbesserung ("Aktivität auch noch zu später Stunde") durch HackerTech.

Und wenn der Strom mal ausfällt, kommt der Don mit den Kerzenständern.

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@hella. Nicht so schlimm? Immerhin werden mit 70-80% Steuergeldern 20% Existenzgründung (plus ein paar Konzerne) subventioniert, von denen dann die Hälfte wieder pleite geht. Sicherlich hängt die Firmenstruktur auch noch davon ab, ob das EGZ in einer Universitätsstadt oder einer Pferdesport-Hochburg betrieben wird.

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Ja und: Nur 50% Pleiten in sagen wir mal 2 Jahren sind doch eine gute Quote. Das sind ja keine Reichtümer, die in off-shore-Steuerparadiese verschoben werden, sondern das Geld wird in den Wirtschaftskreislauf gegeben.

Ob Pferdesport-Hochburg oder Unistadt - das macht keinen Unterschied in der Zukunftsträchtigkeit der Gründungen. Meistens 1-2 Frau/Mann-Betriebe, mit einer guten Idee, der aber die Basis (Qulifikation, Markt, ...) fehlt.

Im übrigen: Ein Second-Hand-Reitzubehör-Laden ist sicher erfolgsversprechender als die 987. "Full-Service-Marketing-Agentur.

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Besser wäre es ja, wenn das Haus komplett mit echten Existenzgründern belegt wäre, (ausser dem Hausmeister und den zwei tüchtigen Sekretärinnen natürlich) und nicht als Neben- und Zusatzverdiensteinrichtung für beamtete Professoren dienen würde. Dann hätte man nach Adam Riese trotz einer Scheiterquote von 50% nämlich 5 mal mehr erfolgreiche Existenzgründungen! Aber Sie haben insofern recht: Wahrscheinlich gehören die am Freizeitsportgerät "Pferd" orientierten Geschäftsmodelle zu den erfolgreichen.

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"Pferdesport-Hochburg oder Unistadt" - das geht auch zusammen
Das nennt sich dann Aachen. Wenn ich mich recht erinnere, sind dort und in der Umgebung ca. 10 Gründerzentren wie Pilze aus dem Boden geschossen. Denen sind wohl die Gäule durchgegangen.

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Ungefähr im Umkreis von einem Tagesritt!

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Für die Anhänger der Reiterei ist das aber im falschen Eck der Stadt; die meisten Girlies mit Ross sind im Westen, das Gründerzentrum dagegen im Osten.

Voll belegt ist es wohl nicht, was man so hört. Es ist einfach eine Ecke der Stadt, in die man eher selten geht, und die Raffinerie daneben riecht auch nicht wirklich lecker.

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