Infinity Communications betritt die Unendlichkeit

Ich komme aus einer reizenden Provinzstadt, die zum Speckgürtel der "greater Munich Area" gehört. Die Menschen hier leben angenehm in einem gewissen Wohlstand, und die Stadt ist für sich auch schon wieder eine Boomregion. Die Mietpreise sind ähnlich hoch wie in den günstigeren Lagen von München, die Spiesser sind fett und die Boss-Anzüge verknittert.

Um dieses Idyll des Geldes und der politischen Einflussnahme in München herum breiten sich die fruchtbaren Hänge am Rand der Donauniederung aus, übersäht mit kleinen Dörfern, deren bäuerliche Bewohner in der Regel zwei Probleme haben: Die niedrigen Erzeugerpreise und die Lieferzeiten der S-Klasse. Ihre Söhne rasen mit ihren aufgebohrten, spoilerverunstalterten Quattros über die anmutig geschwungenen Landstrassen, und machen mein Hobby Rennradfahren zu einem aufregenden Zeitvertreib, ähnlich wie Turniertanzen auf der Märtyrerkreuzung in Ramallah.

Manchmal verfehlt so ein Bolide die Radfahrer oder Fussgänger im Altmühltal, oder sieht sich beim Überhohlen mit Tempo 180 mit einem entgegen kommenden Brummi namens Alois oder Franz-Xaver konfrontiert. In solchen Situationen bewährt es sich dann, dass ein Audi Quattro auch ganz passable Flugeigenschaften hat und wie ein Brett in der Luft liegt. Das ist sein Vorteil gegen den Golf GTI oder die Opels, die vorne über kippen und sich mit der Schnauze in den fruchtbaren Boden der Täler bohren, oder den 911ern, deren Hecklastigkeit beim Aufschlag die Fahrgastzelle knickt.

Manchmal also fährt man mit blitzenden Speichen durch die warme Luft des Tales, irgendwo zwischen Beilngries und Pappenheim, und zwischen zwei Bäumen sind die Stäucher abrasiert, und die Schneise zieht sich 50 Meter weiter schräg in ein Feld, wo dann ein Quattro steht. Am Strassenrand ist dann meist die Polizei, ein belämmerter Flugschüler, und hinten auf der Heckscheibe des Quattro liest man einen klugen Spruch wie "Vollgas - besser als ficken", "Tempo 2 x 130", oder, sehr sinnig "Ich fahre nicht schnell, ich fliege nur tief". Was man halt so von Leuten zu erwarten hat, die in der Disco mit Sprüchen wie "Hallo Praline brauchst Du ne Füllung" die Paarung anbahnen.

Und während man weiterradelt, denkt man sich: Oh Mann, wieso sind da immer diese Sprüche drauf, wenn sie dann so scheitern. Geht es nicht eine Nummer kleiner? Könnte man nicht mal sagen: Wenn es ein Problem gibt, gehe ich auch schon mal vom Gas? Oder: Ich ignoriere nicht immer die Realität, wenn sie auf der Gegenfahrbahn als Tanklastzug daher kommt? Aber nein, die Provinz ändert sich nie.

Genauso wenig wie die Zentren der schicken neuen Wirtschaft. Ich musste bei Powerpoints und Meetings oft an diese Jungs aus den Käffern meiner Heimat denken. Vollgas, Problem, schnell noch in ein anderes Business Modell gegengelenkt, und ab in die Botanik, mit dem Spruch "we make your business fly" auf dem Spoiler sponsored by VC. Alles die gleiche Bande. Kein Unterschied zu Toni, dem Rennfahrerbiberl aus Tittmoning.

Und wenn ich jetzt bei der "Mission" der verflashten Site (Flash ist der Spoiler des Webdesigns) der Marketing-Agentur Infinity Communications GmbH lese: "Wir haben das Wort "Problem" aus unserer Kommunikation entfernt." - dann habe ich sofort wieder den Geruch des Altmühltals in der Nase, mit dem Wacholder, dem Getreide, den Apfelblüten und der Kühlflüssigkeit, die aus dem zerborstenen Motorblock eines Quattros ins dunkle Erdreich sickert. Keine Probleme bei Infinity. Vielleicht nie mehr. Mit der Nummer 46 IN 29/05 beim Amtsgericht Mönchengladbach übernimmt der vorläufige Insolvenzverwalter die Probleme. 120 Punkte, bitte.

Dienstag, 12. April 2005, 13:47, von donalphons | |comment

 
So einen schönen Final habe ich lange, lange nicht mehr gelesen. 10 Bonuspunkte von mir :::::

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Aber bitte, mit grösstem Vergnügen :-)

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Chapeau!

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... das zweite "h" bei Überholen ... Absicht?!

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ja.

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Wow. So plastisch, ich habe mich an dunkle Zeiten in meinem Heimatkaff erinnert. Und dann der elegante und unerwartete Schwenk zur der insolventen Firma. Die Extrapunkte haben sie sich redlich verdient.

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Denn in Wirklichkeit stammen wir alle vom Land. Und auch die Metropolen sind Land, viel Land auf kleiner Fläche übereinander aufgeschüttet.

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Zum Beispiel das ländliche Greenwich Village oder die kleinen Weiler auf den Müllkippen von Cairo.

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