Kontextsensitivität beim dwk2005 punkt de

Es ist einer schlechtere Ecke des ohnehin nicht so tollen Bezirks Kreuzbergs, den die Phantome der Yuppies, wenn es sie je gegeben haben sollte, nie betreten haben. Von der Spree bis hier ist ein sozialproblematischer Block am anderen, dann kommt ein Rondell mit ein paar freigebombten Flächen, ein Flohmarkt der untersten Kategorie, und dann wieder ein Blockviertel nach aufgelassenen Industrieanlagen. Und hier ist dann dieses grosse Plakat, gestaltet und mit viel Gefühl für den richtigen Ort und das erreichbare Zielpublikum gebucht vom Deutschen Werbe Kongress. Der heisst wirklich so, mit Idiotenabstand zwischen Werbe und Kongress, Alleinstellungsmerkmal rules, und hey, wir können texten, da muss man nicht schreiben können.



Dankenswerterweise zeigt das Plakat den Bettlern, den Alkis, den arbeitslosen Müttern, den orientalischen und russischen gebrauchtwarenhänlern und natürlich auch mir als ihrem besten Kunden in Sachen Tafelsilber, Seidenteppichen, KPM-Porzellan und ähnlichen in Berlin nicht mehr gewünschten Zivilisationsabfällen, wie diese Köpfe der Werbung, die sich am 12. Mai treffen, aussehen. Genau so, wie ich sie kenne. Idealtypisch von links nach rechts:

1. Die fette Glatze. Der Agenturgründer, der seine Inspiration beim Warten im 911er vor einem Gymnasium holt, wenn er auf die 17-jährige wartet, die so aussieht, wie die Dinger auf seinem Powerbook. Seine letzte zündende Idee ist 20 Jahre her, aber er ist für die anderen immer noch der, der damals vor zwanzig Jahren diese Idee hatte. OK, eigentlich war die Idee geklaut, aber das hat ja keiner gemerkt. Die Pitches versucht er, schon im Vorfeld durch Bestechung bei den Vergabestellen klar zu machen. Wieviel Geld für sowas in der Kriegskasse ist, hängt vom Kokskurs ab.

2. Der Kreative mit dem eingefärbten V in en künstlichen blonden Haaren. Er versteht einfach nicht, dass seine bei japanischen Mangas geklauten Klischees dem Schraubenfabrikanten nicht passen. Dumme, alte Sau das. Zum Glück gibt´s ja noch E und Pillen und Praktis zum Ficken, wenn er nicht gerade selbst den Allerwertesten für einen Unitleiter hinhält, den er "Papa" nennt. Versucht immer, seinen Provinzdialekt zu unterdrücken. Der garantiert ihm, dass die anderen Mastdarmakrobaten seine Entwürfe auch weiterhin toll finden. In drei Jahren ist er dann auch in der Mittelebene der Agentur angelangt.

3. Die blonde, attraktive, etwas dumme Kundenbetreuerin, Senior Creativ Consultant und so weiter. Hat sich nach vier Jahren Praktikum dann doch noch die feste Stelle ergattert, nachdem alle schon mal auf ihr rumgeturnt sind. Inzwischen aber in halbwegs festen Händen bei einem Entscheidungsträger beim Kunden, seitdem lässt man sie in Ruhe. Glaubt, dass von ihr das Überleben der Firma abhängt, und lässt es alle spüren. Krankhaft eitel, geistig aber schon von einer Brigitte-Kolumne überfordert, schaut sich deshalb immer nur die Bilder in der amerikanischen Vogue an. Findet dort laufend Anregungen. Kritzelt beim Telefonieren, nimmt immer das Handy.

4. Die nicht mehr attraktive Pseudochefin mit der Wischmob-Frisur. Hat letztlich das Sagen und das Keifen. Ist total inkompetent, aber leider schon immer dabei und hat 10 jahre Erfahrung im Rausekeln von besseren Leuten. Säuft wie ein Loch, damit die anderen Drogen nicht so auffallen. Hat immer panische Angst, dass jemand mal mitkriegt, dass sie eigentlich nur eine Ex-Sekretärin mit grosser Klappe ist. Kommt entweder aus Berlin oder Düsseldorf. Hasst sich selbst jeden Morgen, weil sie einen Moment begreift, dass sie tatsächlich diesen scheusslichen Mund und die Falten hat, und greift zur Flasche. Wenn sie auf dem Kongress hackedicht ist, wird sie vergebens versuchen, einen Schwulen dazu zu bringen, sie zu ficken.

5. Der junge, proppere Berater, der von der Beratungsfirma oder der PR-Agentur kam. Hat BWL mehr schlecht als recht studiert, und dann bei seinem Kumpel angeheuert, der gerade die tolle neue deutsche Dependance eines Global Players aufgezogen hat, aus der er dann geflogen ist, um bei der Agentur anzuheuern. Hat sich zwei Jahre die Potemkinschen Dörfer von innen angeschaut, gedacht, dass er das auch kann, und beherrscht inzischen Powerpoint aus dem FF. Seine Bibel heisst Brand1, sein aktiver Buzzwordschatz wäre beim IPO ein paar Milliarden wert, wenn es denn nur ab und zu mit den Ideen klappen würde.

Und das alles kommt nach München. Arme Stadt.

Samstag, 16. April 2005, 21:06, von donalphons | |comment

 
Danke schön :-)
Wenn man bedenkt, dass da noch diese Deadline wartet. Nein ehrlich, ich komme ja aus einer ganz anderen Ecke der Welt und hab mit diesen Kreativen oder NEs nie was zu tun gehabt - aber es muss, wenn ich hier so mitlesen, fürchterlich gewesen sein. Schön fürchterlich.

Also: Danke.

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Es gibt da auch ganz andere und grundsolide Leute, diese aber eher in der Provinz als in den Metropolen und was sich dafür hält. Aber die Zentralfraktion der Werbeyuppies, weniger die coolen Eppendorfer als das, was sich da zwischen München, Düsseldorf , Bankfurt und Berlin so tummelt ist so, wie Don es hier umreisst.

Ich bin einer dieser Kreativen, wenn auch völlig anders gestrickt. Das muss zur Ergänzung auch gesagt weden: Unter Werbern und PR-Leuten gibt es auch immer wieder altlinke Szene-Artefakte, die dort mitschwimmen, weil sie ihr Brot verdienen müssen. Es gibt sogar ganze Agenturen, die aus solchen Menschen zusammengesetzt sind, aber summa summarum ist das eine winzige Minderheit. Und die lesen nicht Brand 1 und W & V höchstens wegen der Stellenanzeigen.

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... die fahren aber sicher auch nicht auf die dwk 2005 in München.

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und die werden die Stellenanzeigen auch dringend brauchen, bei all den Absolventen.

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Dafür kann man bei mancher Provinzagentur auch mit 40 noch als Senior Art Director einsteigen. Im Outsourcing-Umfeld gewisser OE-Weltkonzerne gibt es genug Firmen mit solider Bodenhaftung, wo niemand so crazy ist, jemand mit 25 als Senior Irgendwas zu bezeichnen.

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@che: Ich würde das nicht nur als crazy bezeichnen, eher schon ein bißchen sissy. Da die höchsten Einkommensgruppen und die zahlungskräftigsten Kunden die so genannten Best Agers sind (Altergruppe 40 - 64) , ist es nur konsequentes Marketing, wenn wirklich niemand unter den Werbeschaffenden dieser Altergruppe angehört und folglich auch niemand weiß, wie man diese Leute werblich anspricht. Das Projekt nachhaltig Binnenn achfrage verhindern wird dadurch top-Brand1 mäßig vorangetrieben ;-)

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Destination Zero
Touché. Wenn man die Logik weiterspönne, erfolgte Hartz 4 als Maßnahme zur Vernichtung der Einkünfte der Langzeitarbeitslosen, um deren Kaufkraft vom Markt zu nehmen. Durch völlige Zerstörung des Marktes soll dieser zurück zur ursprünglichen Akkumulation geführt werden, um dann wieder ganz von vorne anzufangen. "Auferstanden aus Ruinen und dorthin zurückgeführt" wird die neue Hymne. Ach ja, an die sporadischen Mitleser: Achtung, Ironie!

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@ che:
also quasi ein Neuer Markt?

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... und alle zusammen hinterlassen eine ekelerregende Wolke aus den angesagtesten Düften, die von den netten blonden Verkäuferinnen bei Douglas empfohlen werden.

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Nicht zu vergessen all den bunten Papiermüll.

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Yeah! Erster!
Gratulation zu 500 Tagen Rebellmarkt! Auf weitere 500 mal x kämpferische Tage hinter den Linien der Desinformation, zum Vergnügen der Leser und Mißvergnügen aller Trolle!

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Danke :-)

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immerhin, Zweiter
Herzlichen Glückwunsch zum 500. Geburtstag Don Alphonso. Die Figur ist mir in den letzten Monaten sehr vertraut geworden. Besonders der drollige Berlinfrust öffnet die Sinne für die hiesige Mischung aus Untergangspanic und Selbstüberschätzung.

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Selbstüberschätzung? Ach ne - aber Danke.

Übrigens -ich übernehme morgen die Weltherrschaft, macht wer mit?

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Übernahme Terminplanung
klar, dabei

Montag ist OK,

Nach der Sommerpause dann den Rest

mfg aus Berlin

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Ebenfalls erstmal Glückwundsch!
Zurück zum Thema: Bezeichnend für das Plakat finde ich auch noch, dass sich die Damen und Herren Werber wohl einen feuchten Kehricht um die Zielgruppen kümmern, schauen sie doch alle ins Blaue. Für wen machen sie die Werbung? Fürs eigene Ego?
Oder stehen sie einfach nur, blickversperrend, in der ersten Reihe, alles hinter sich lassend, uninteressiert, was da passiert, realitätsfremd?
What else can you read out of the ad?
Geschlossen blicken sie in eine Richtung, in eine Richtung, in der man nichts Konkretes sehen kann. Möglicherweise kommen dem Linken schon Zweifel, ob das so richtig ist (Achtung, nicht politisch gemeint!). Aber der Schulterschluss zwingt dazu.
Vielleicht soll Werbung aber einfach nur ins Blaue hinein gemacht werden? Ohne Zielgruppen, ohne Vorgabe, ohne Produkt?

Man weiß es nicht. Dafür halt der Kongress.

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Mit dem Rücke zur Zielgruppe, kann ich da nur sagen.

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@ Übrigens -ich übernehme morgen die Weltherrschaft, macht wer mit? - Und morgen das Sonnensystem!

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Apropos Bild noch mal
Die Werber auf dem Plakat, sind die vielleicht nicht nur so rum aufgenommen worden, dass sie den Müll im Vordergrund nicht sehen, den sie verzapft haben?

Gute Motivwahl, Herr A, wirklich gelungen!

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Man betrachte den Müll etwas genauer: Hat man da nicht jemandem was oben reingeschoben, so dass er schlucken muss?

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Saugeil!
Ich musste es jetzt tun! Nach monatelanger Lektüre. Zugegeben, ich roll' mich ab, wenn ich dich so lese; dumm nur, dass ich gerade in der Bib sitze. Die Frage, wo dein gigantischer Sarkasmus und Zynismus herkommen, lasse ich jetzt mal ungestellt... :o) 500 Tage - herzlichen Glückwunsch und weiter so!

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Schizophrenie und Verfolgungswahn, ganz einfach.

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