Medien - Gegenöffentlichkeit - Öffentlichkeit

Ziemlich zum Ende der Sendung bei Fritz kam dann der Begriff der Gegenöffentlichkeit, die Blogs wären/sein könnten. Das sind so die Momente, wo ich am Mikrophon zu nagen beginne, da drängt es mich etwas zu sagen, denn da kann ich einiges beitragen. Denn: Wer Blogs für "Gegenöffentlichkeit" hält, weiss nicht, wofür der Begriff bislang steht.

Ich habe meine ersten journalistischen Schritte bei einem Medium gemacht, das einigen Alt-68ern gehörte, die genau diese Gegenöffentlichkeit im Sinn hatten. Die Folge war eine totalitär anmutende Ausrichtung auf den politischen Kampf, der so weit ging, dass Post von "Verräterparteien" wie der SPD schon mal von einem der Leiter dieser alten Truppe weggeworfen wurde. Das Briefgeheimnis galt nichts, und Rezensionsexemplare, die nicht in sein Schema passten, landeten in den Antiquariaten zur Finanzierung der guten Sache - die Redakteure mussten sich dann selbst mit den zu Recht verärgerten Verlagen rumschlagen. Wer politisch nicht auf der Linie lag, wurde früher oder später rausgeekelt, oder unterwarf sich einer Gesellschafterversammlung, für die die Ideale des Sozialismus in dieser Phase des Kampfes innerhalb der eigenen Reihen zurückstehen mussten. mehr an der Blogbar

Mittwoch, 11. Mai 2005, 15:06, von donalphons | |comment

 
Na ja, Don, da hast Du aber wieder ein krasses Beispiel. Die Gegenöffentlichkeitsprojekte, die ich so kenne, an denen ich teils aktiv beteiligt war, wie GöSt, Atom-Express, BUKO u.ä., waren sicher ideologisch eingefärbt, stalinistisch war keines davon, und die eigenartigen Rituale von Kritik und Selbstkritik der alten Maoisten gab es dort überhaupt nicht. Ich weiß nicht, ob nördlich des Harzes die Linke grundsätzlich anders gestrickt ist als bei Euch, aber was Du da schilderst, ist für mich einfach nur befremdlich und absonderlich.

... link  

 
Da könnte ich aber sehr viel davon erzählen, ich hab das ein Jahr gemacht und höre immer noch die aberwitzigen Stories. Einmal habe ich eine Laudatio für jemanden gehalten, der grossartiges Radio gemacht hat; links, aber nicht linksradikal genug, und den damals der Preis vor dem Rauswurf gerettet hat - und das ist auch erst 2 Jahre her. Abgesehen davon habe ich letztes Jahr das Terrorregime des ASTA-Frankfurt erlebt, die Sickos sind also immer noch da, Antideutsche, Linkslinke Überholer, Trotzkisten, Linksruckler, jeder gegen jeden, es ist einfach nur krank. Ich könnte Stunden...

... link  

 
Was ich kenne, sind eher die breiten Bündnisse - Autonome, IG Metall, bestimmte SPD-Ortsvereine als stabile jahrelange Aktionseinheiten. Und auf der anderen Seite Antifa-BO gegen sonstige Autonome, das waren teilweise echte Feindschaften. Trotzdem: Das Dauerbündnis war der typisch niedersächsische Weg. Kein schlechter!

... link  

 
Bei uns war das eine Abfolge kleinster Koalitionen mit dauernd wechselnden Fronten, die immer kurz vor der Gesellschafterversammlung in Arschkriechereien und Beschuldigungen ausarteten. Die Anführer dort waren ein Typ, der seines Erachtens von der SPD um ein Mandat betrogen wurde, nachdem er seine kleine Firma ruiniert hatte, und ein Lehrer an der Grenze zum Rentnertum, der ein halbes jahr in seinem spanischen Ferienhaus die redaktion mit seinen sofort zu sendenden, neuesten Meldungen aus der spanischen Naturschützerszene nervte. Handgeschmiert, per Fax.

Abartig, diese Leute. Irgendwann so gegen 2000 hatten sie dann mit Hilfe zweier überteuerter Geschäftsführer und ihrer Kamarilla das Ding so sehr trotz staatlicher Zuschüsse vor die Wand gefahren, dass es eine Revolte gab. Aber das Ding hat es nie geschafft, etwas ähnliches zu werden wie die Kollegen in Nürnberg oder Hamburg.

... link  

 
Mit der Splittergruppen-Folklore
bin ich nicht mehr so auf vertrautem Fuß, aber was der Don da beschreibt, dieses ganze Altstalinisten-gegen-Neotrotzkisten-Ding, das war wirklich ganz real. Im Süden vielleicht mehr als im Norden. Mich hat das alles seit jeher an "Das Leben des Brian" erinnert, wo die Volksfront zu Befreiung Judäas mehr gegen die Judäische Befreiungsfront kämpft als gegen die Römer...

... link  

 
Ja. das war die Blaupause. Und am Schlimmsten waren natürlich diejenigen linken Kreise, die man aus den jeweiligen Sendungen innerhalb der Kleinstredaktionen verdrängt hatte. Und wenn dann einer in einer anderen Sendung Aufnahme fand, brach der Krieg Redaktion gegen Redaktion los.

Oder auch schön: Die Redaktionsversammlung erlaubt ein neues Format. Prompt setzt ein demokratisch unterlegener Gesellschafter eigenmächtig ein Format der politischen Gegner ein, die dann on Air gegen die anderen agitieren...

... link  

 
Meridiane
Wir fanden die süddeutschen Linken auch immer abedreht und sonderbar. Trotzkisten gab es bei uns so selten, dass schon KB-Mitglieder zwar Trotzki gelesen hatten, aber nicht mehr wussten, was ein Trotzkist ist. Mao war dermaßen außen vor, dass man zum puren Spaß, als reine Verarsche, eine "maoistische" Gruppe gründete. Bei uns bewegte sich alles zwischen fröhlich bunten Spontis, schwarzledernen, robusten Autonomen und pragmatischen KBlern mit der Doppelstrategie zwischen linksradikaler Szene und Grünen. Später kam dann die Moralin-Phase, wo jeder Mann ein potenzieller Vergewaltiger war und jeder Fleischesser bereits auf der anderen Seite stand. Aber da stand ich in der Hierarchie dieser Szene schon in einer Position, wo ich den Unsinn nicht mehr mitmachen musste. Erinnere mich noch voll Grinsen an die Gesichter, als ich in der veganen Volksküche Geflügel zubereitete. Die Brian-Ebene gab es auch, aber hauptsächlich bezogen auf Geschlechterverhältnisse. Das ging so weit, dass den Frauenflügel eines besetzten Hauses männliche HUnde nicht betreten durften. Die eigene Gruppe war zum Glück von dem ganzen Blödsinn gefeit, insofern sah man das als Zaungast und konnte gemeinsam drüber lachen.

... link  

 
Nun, wir hatten eine MLPD-Fraktion, aber die verschwand gerade, als ich anfing - Mao lesen, Tee trinken und Sinn in der Kulturrevolution sehen war wohl doch ein wenig einfacher als Radio machen. Trotzkisten gab es einige, die jeweils von sich behaupteten die echte permanente Revolution zu machen. Der Gesellschafter mit dem Raucherhusten hat unter den Trotzkisten denjenigen gefördert, der schon ein paar Prozesse am Hals hatte, angefangen vom Fahrradklau bishin zur brillianten Idee, in einem Bus mit Demonstranten Tränengas einzusetzen, bevor die Polizei in Reichweite war. Danach machten sie eine Sendung, in der sie verbreiteten, dass es in Folge polizeilicher Willkürmassnahmen einen Tränengaseinsatz gegeben hätte.

... link  

 
Mensch Don...
...da hast Du Glück gehabt. Vor lauter KPDKBKBWMSDDKPGIMKPDAOFAUKPDMLSBDFUGRZIGMGusw. Auswahl, kam man von der Mensa immer mit einem vollem Leitzordner Flugblätter zurück.

... link  


... comment
 
Daran kann...
...ich mich erinern. Ja - auch bei uns war Ende der 70er Jahre "Gegenöffentlichkeit" angesagt. Die Situation, die dazu führte das ein Informationsdienst für unterdrückte Nachrichten (ID), die TAZ und auch in unserer Stadt (mit meiner Beteiligung) ein alternatives Stadtblatt entstand, war folgende. Es gab verschieden ausgeprägte starke soziale Bewegungen, die sich in der Wahrnehmung in der Öffentlichkeit und in den Medien nicht richtig wahrgenommen fühlten. Die Konzentration innerhalb der Medien/Presselandschaft trug zu dieser Wahrnehmnung bei und man wehrte sich teilweise zu recht gegen eine Einheitspresse, die bewußt bestimmte Nachrichten nicht brachte oder wenn in manipulativer Form (Stichwort Springer). Wobei Don recht hat, dass in vielen dieser alternativen Medien ein elitärer Umgangston und eine eher "stalinistische" Umgangsart gang und gebe war (je nach Zusammensetzung und Historie). Fakt ist, dass in gewisser Weise eine Liberalisierung in der Berichterstattung als auch eine Monopolstellung gewisser politischer Kreise erfolgreich durchbrochen wurde, unabhängig davon, was aus diesem Sammelsurium von Alternativ-Medien letztendlich geworden ist. Fakt ist aber auch, dass ich mein TAZ-Abo schon seit 10 Jahren gegen ein SZ-Abo ausgetauscht habe - und dass ich nur den Kopf schüttleln kann, wenn ich heute ein Exemplar des von mir damals mitgegründeten Blattes ansehe. "Alles verändert sich..."

... link  

 
Es ist ja nicht alles schlecht gewesen, aber die Kosten der Medien haben damals Koalitionen erzwungen, die einfach nicht funktionieren konnten. Das ist auch immer noch das Manko bei Indymedia, und Blogs können das Problem zumindest im Netz lösen.

... link  


... comment
 
Nur: hat sich an den Zuständen im Vergleich zu der Zeit Anfang der 80er Jahre was geändert? Eher im Gegenteil. Politische Magazine werden im Fernsehen abgesetzt oder in die Nachtzeit verlagert, kritische Journalisten gibt es nicht mehr oder sie bekommen nicht genügend Zeit für die Recherche, überall nur Boulevard und Infohäppchen.

Ich finde es verständlich, dass es Leute gibt, die mit blogs eine Art "Gegenöffentlichkeit" verbinden. Wobei der Crux an der "Gegenöffentlichkeit immer war und ist, dass nicht die Öffentlichkeit erreicht wird, die es nötig hätte.

... link  

 
Wie man´s nimmt: Es erreicht wohl einige Multiplikatoren, und es erreicht in seiner Gesamtheit sicher signifikante Teile der Bevölkerung; zumindest mehr als Bürgerradio.

... link  


... comment