: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Mittwoch, 1. Dezember 2004

Real Life 01.12.04 - Kreuzung der Verdammten

Unten sitzen die Depressiven, die Abgearbeiteten, die in irgendeinen westlichen Teil des Slums müssen, oben drüber schlurfen sehr viele junge Menschen, die nicht wirklich glücklich aussehen. Halt so, wie Leute aussehen, die kurz vor acht noch mal schnell zum Einkaufen gegangen sind, weil sie sich das teure Zeug beim Nachtkauf nicht leisten können. Dann doch lieber Plus, Aldi und schnell vorbei an den bettelnden Punks. Kein Wechselgeld, brauchen sie selber.



Manchmal bleibt jemand auf der Brücke stehen und blickt in Richtung der heranbrausenden Züge, angespannt und aufgerichtet, und hier, 20 Meter entfernt, rattert im Hinterkopf der Alptraum los, was, wenn, das Geländer ist nicht besonders hoch, wie lange dauert es wenn, wie lange bräuchte man dann, da kann man nicht einfach so auf das bescheuerte Bild warten, jetzt sofort lossprinten, ansprechen, verdammt nochmal irgendwas tun, denn manchmal entscheiden Sekunden, Worte, der Zug löst sich hinten von den Arkaden und fliegt durch die Nacht, und auf der anderen Seite kommen ein paar abgerissene Typen, betrunken schon um diese Tageszeit, laut und vulgär, die Gestalt am Geländer schaut sich um, dreht sich schnell weg und eilt weiter, und unter der Brücke knallen die Lichterreihen ins Nichts der Bahntrassen.

Ich hasse diese Stadt, diesen nie endenden Winter wegen der Filme in meinem Kopf, und dem Wissen, dass diese Filme gerade irgendwo laufen. Real Life und in Echtzeit.

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Die gute Meldung des Tages

Die Deutsche Bank erspart vorerst 1920 Mitarbeitern die Sorge, die Bundesregierung könnte sie mit einer angedachten, leistungsfeindlichen Sondersteuer für Reiche belegen.

Die schlechte Meldung des Tages: Die Deutsche Bank muss diese 1920 Mitarbeiter dafür in Richtung Arbeitsamt schicken. Klingt diesmal vor allem nach mittlerem Management.

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Sie kommt nur mal vorbei

um zu sehen, wie es hier so geht. Gut, natürlich. Und sie erzählt. Von der Prüfung, die jetzt bald kommt, von den Recherchen zur grossen Arbeit, die das Ende des Studentendaseins markieren wird. Sie weiss genau, was sie dann machen will, und sie weiss auch, dass es nichts wird. Dort, wo sie im Moment als Hilfskraft arbeitet, bekommen auch die Sekretärinnen nur Zeitverträge. Deabei ist das schon Öffentlich-Rechtlich, sprich ziemlich gut finanziert.

Sie hat den Fuss in einer Tür, aber dahinter kommt nur die Besenkammer. Sie hat gute Referenzen, aber mit denen darf sie nicht mehr machen, als Gäste betreuen und kleinere Papierarbeiten machen. Ihre sagenhaft weiche Stimme muss sie am Telefon verschwenden, im Hickhack mit irgendwelchen Apparatschiks, die auf die Frühpensionierung warten, noch 10 Jahre, oder so.

Dabei ist sie sehr, sehr gut, und es wäre verdammt schade, wenn sie irgendwo in Praktika versauern würde. Hier was, da was, Cappucino-Jobber hiess das früher in der New Economy, Bohemiandasein vor 100 Jahren, heute könnte man es als Nichtsozialhilfefall bezeichnen, um es gegen die Lumpenprojektjugend abzugrenzen. Es ist so verdammt ungerecht, wenn man daran denkt, was für schludrige, unfähige Betonköpfe den Crash überlebt haben und jetzt die Stellen besetzen, an denen Leute wie sie etwas bewegen würden, wenn sie fertig sind.

Bis dahin sind es noch 10 Monate. So lange dauert es, bis sie keine Studentin mehr ist, und bereit für eine Welt, die sich nicht um sie kümmern wird. 10 Monate sind eine lange Zeit, schon in 15 Minuten kann sich die Welt verändern, heisst es im Claim von b5 aktuell, aber die Option erzwingt nicht das Ereignis, und das letzte Mal, als das passierte, war der 11. September o1.

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Das Wort zum Tage

Wie sagt nicht ein bayerisches Sprichwort so schön?

"Kommt der Gast durch die Tür, gib ihm Brot und Salz.
Kommt er hintenrum durchs Fenster, gib ihm Pulver und Blei."

Nun, wer die Chancen auf die Tür vergeben hat, sollte sich die Frage stellen, ob es weise ist, weiterhin am verrammelten Fenster rumzustehen, mit der kleinen Schiessscharte auf der Höhe gewisser Weichteile.

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Real Life 01.12.04 - Vetternwirtschaft

Da gibt es ein gutes Buch von Hunter S. Thompson. The Rum Diary.

Da gibt es einen engagierten, kleinen Verlag, der die Rechte bekommt. Der Blumenbar Verlag.

Da gibt es dann noch einen Müncher Autor, der nach dem Verlangen muffelt, ein grosser deutscher jüngerer Gegenwartsautor zu sein, und auch als Christian-Kracht-Epigone in München als solcher gilt, weil München an Autoren wenig zu bieten hat, und er ausserdem in den einschlägigen Kulturbetriebs-CamorKreisen wie dem Zündfunk oder gewissen Lesereihen der Stadt abhängt - in ersterem steckt übrigens auch jemand von Blumenbar. Und obendrein schreibt Oswald auch noch für Blumenbar. Und für die SZ - und in einer Rezension des Buches von Thompson bei Blumenbar so, dass es selbst dem Perlentaucher zu viel wird, der dann milde festhält, dass Oswalsd "lobhudelt".

Und ich stelle mir vor, wie Thompson die halbseidenen Absprachen zwischen runtergekommenen, moralisch abgewrackten Provinzkulturbetrieblern im US-Mittelwesten beschreiben würde, die sich in einer unterdurchschnittlichen Bar auf Kosten einer öffentlichen Einrichtung betrinken und ein kleines, dreckiges Geschäft auf Gegenseitigkeit machen, um irgendwas in einem lokalen Käseblatt wie dem Nutbush Evening Standard unterzubringen. Die Beschreibung des Zerfalls, der lakonische Ton, die kleinen, brutalen Details, das alles ist eine schöne Vorstellung.

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