: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Donnerstag, 9. Dezember 2004

Jetzt bin ich aber doch etwas enttäuscht

Denn ich hatte mir schon überlegt, wie ich die Publicity der Wirtschaftszeitschrift und des bitterbösen, meine geschäftsschädigende Tätigkeit skandalisierenden Artikel von ihrem Autor nach all den zeitnah bekannt gewordenenbrillianten Recherchen in fette Profite verwandle. Es hätte hier eine Woche lang diese Werbung gegeben:

VERGESST DIE Wirtschaftszeitschrift - DIE WIRKLICH MIESEN GESCHICHTEN HAT SIE NICHT ENTDECKT!

Sie wollen wissen, wie man andere Firmen wirklich durch gezielte Indiskretion zur Sau macht? Sie überlegen selbst jeden Morgen, wie Sie Ihre Konkurrenz über den Jordan schicken können? Geben Sie es ruhig zu! Die Wirtschaft gehört denen, die überleben, und nicht denen, die Sie und wir draufgehen lassen. Wir haben es, weitaus gemeiner und fieser als in der Wiwo behauptet, aus Spass getan - Sie tun es aus beruflichen Gründen - deshalb: LET´S TEAM UP!

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Real Life August 2000 - Schwarzes Gold

Sie hatte sich für den Juniorposten beworben, wurde aber gleich als Senior mit Juniorgehalt genommen. Dass sie noch nicht mal den Magister hatte, war egal, einfach rein und los, das mit der Prüfung geht auch nebenbei. Es stellte sich heraus, dass es so einfach nebenbei doch nicht ging, aber egal, 1999 war das schon fast die Lebensanstellung, es ging unaufhaltsam nach oben. Es gab auch Wochen, in denen sie unter 70 Stunden arbeitete. Der Stundenlohn war auch nicht so das Thema; wenn man die Optionen wieder reinrechnete, war alles bestens. Ich bekam manchmal ein Mail, alle zwei Monate trafen wir uns auf einem Event, und ich wunderte mich, dass sie mit 25 den Druck, die Aufgaben und den Skalierungsirssinn aushält.

August 2000 rief sie bei mir an und fragte, ob wir uns mal treffen können. Sie hatte eine Idee gehabt, die ihr sehr vielversprechend erschien, die sie aber noch nicht in der Firma verschreien wollte. Zu viele Neider, zu viele, die plötzlich Angst um ihren Job hatten und anderen Leuten den Stuhl unter dem Hintern wegziehen wollten. Es war nicht mehr so richtig lustig, was sie erzählte. Jedenfalls hatte sie einen Plan, eine aus der Not geborene Kooperation mit einer grossen, alten Firma, die erst auf die Idee kam, dass sie im Internet was tun musste. Sie hatte in ihrer Abteilung heimlich ein Projekt dafür ausarbeiten lassen, und ich sollte da mal einen Blick drauf werfen.

Es war auf einem Thinkpad, 2 GB gross, viel Ton und Streams, und es war keine dumme Idee, ganz im Gegenteil. Sie wusste nicht, wie sie es ihren Chefs verkaufen sollte, denn es brach mit einigen Tabus. Sie brauchte Argumentationshilfen, und einen 20-seitigen Wisch von einer möglichst toll klingenden Beratungsklitsche, die natürlich erst mal nichts kosten dürfte, weil sie kein Budget dafür hatte. Aber dazu hat man bekanntlich Freunde, die einem das auch so, nebenbei mal schreiben - Leute wie mich. Den Thinkpad könnte ich mitnehmen, sagte sie, da ist alles drauf.



Das Cafe Puck ist gelblich gestrichen, und vieles, was dort im Licht der Kerzen ist, erscheint golden. Thinkpads, Ideen, die Zukunft, das alles bekommt im Licht des Cafes einen Wert, eine Logik, den Anschein von Sinn und Vernunft.

Ich schrieb den Bericht nie fertig. Drei Wochen später wurde ihre Abteilung eingestampft, und ihr selbst bot man als einziger die Weiterbeschäftigung an, als Senior, aber zu einem Gehalt, bei dem 20% Lohnverzicht schon inbegriffen waren. Sie erfuhr es am Telefon, während der ersten Urlaubswoche seit einem Jahr, in der sie ihr Auto zum überfälligen TÜV brachte, die Wohnung putzte und versuchte, mal wieder einen Text zu lesen, der länger als ein Executive Summary war.

Sie ging den ganzen Weg. Sie wollte dagegen ankämpfen. Aber die Kündigungen waren schon unterwegs, die Räume leer, und in den Mülleimern stapelten sich die Tastaturen und Floppies. Es muss sehr hart für sie gewesen sein, und wahrscheinlich war es die Beiläufigkeit, mit der man ihr das antat, schlimmer als der Rausschmiss selbst, der nach ein paar Stunden Vorhaltungen von ihren Chefs kam. Immerhin erlaubte man ihr, sich noch am Firmentelefon und von ihrem Firmenaccount von den Kunden zu verabschieden.

Sie rief mich dann erst sehr spät in der Nacht privat an. Sie erzählte mir, was die Buschtrommeln der einzigartigen Munich Area schon am Nachmittag verbreitet hatten.

Was soll ich mit dem Thinkpad machen, fragte ich sie.

Ist doch nur ein altes, überflüssiges Notebook. Es gibt das Ding doch schon gar nicht mehr. Kein Thinkpad, keine Abteilung, keine Idee, alles aufgelöst, abgeschrieben.

Wertberichtigt, warf ich ein.

Du hast keinen Thinkpad von mir. Lösch es runter, mach damit, was Du willst, schick ihn an die Firma, behalte ihn, niemand wird ihn wollen, oder Dich danach fragen, sagte sie. Und dann erzählte sie, wie ihre Chefs inzwischen diese dem Virtuellen verpflichtete Abteilung real zerstört hatten. Ich habe den Thinkpad, Modell 390e, Baujahr 7/99, 333 Mhz PII, 6,4 GB, 256 MB Ram behalten. Niemand hat je danach gefragt. Er hat die Firma am heutigen Tag fast 2 Jahre und 7 Monate überlebt.

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