: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Dienstag, 21. Dezember 2010

Entschlüsseln

Das hier war gestern im Paket:



"Dralles, loses Frauenzimmer wird von einem Pfaffen und einem alten Sack mit moralischen Geschmiere belästigt, kichert sich aber einen und geht nach links ab, um sich dem Begleiter hinzugeben."

Nun ja. Nicht ganz.

Wichtig ist es zuerst vielleicht, die Herkunft, die Machart und die Datierung zu wissen. Es kommt aus Wien. Es ist eine sogenannte Ölskizze, also eine Art Vorgemälde, das Auftraggebern gezeigt wird, bevor das echte Monumentalgemälde ausgeführt wird. Mit Ölskizzen kann man die Position der Figuren, das Licht, die Räumlichkeit, die Haltung ausprobieren. Man sieht das sehr schön am liegenden Priester - dem wurde ein Engelsflügel hinzugefügt, der absolut nicht passt. Man kann davon ausgehen, dass die Skizze beim Auftraggeber nicht vollends zur Zufriedenheit ankam, und der sich statt des Priesters vielleicht lieber einen Engel wünschte. Der Maler zeigte mit ein paar flüchtigen Pinselstrichen, wie das die Komposition verändern würde. Die Datierung ist klar Rokoko, aufgrund der eher niedrigen Perücke der Hauptperson, des aufgestellten Rocks und der bewegten Haltung der Personen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Danach - so um 1760 - wird es recht schnell klassiszistisch und steifer.

Was sehen wir? Die Hauptperson wird als Königin definiert, sie trägt einen Nerzmantel und eine Krone. Hinter ihr ragt ein dicker Baum empor, an dem ein überdimensioniertes Astloch auffällt. Die Dame ist klar entzückt über das, was ihr auf der rechten Seite verkündet wird: In den Wolken schwebt eine Dreieinigkeit mit Flammenherzen, aus dem ein Strahl zu den Personen auf dem Boden weist. Der alte Herr steht gemeinhin als Allegorie für Moses und das alte Testament, was mit der Schriftrolle zudem verdeutlicht wird. Der Herr mit dem Buch darunter... nun, das ist ein Jesuit, anhand der Kleidung und der Kopfbedeckung eindeutig identifizierbar. Zudem ist der Herr auch ein Hinweis auf die Datierung: 1775 wurden die Jesuiten in Österreicht verboten, und wären kaum mehr gemalt worden. Hinter der Frau links ist noch ein Mann mit Perücke, der einen länglichen, weissen Gegenstand in der Hand hält.

Zuerst einmal ist es eine typische Arbeit der Zeit: Das Helldunkel und die räumliche Wirkung kennt man in jener Zeit aus dem Umkreis von Franz Anton Maulbertsch, der in der Zeit um 1750 zu einem der führenden Maler Österreichs aufstieg. Dieser Umkreis war zudem berühmt für Ölskizzen und allegorische Darstellungen - wobei zu bedenken ist, dass die Anfertigung einer Ölskizze damals aufgrund der verwendeten Farben sicher kein Geschmier war, sondern ein eigenständiges Werk, das mit vergleichsweise hohen Kosten verbunden war (und wenn man nicht gerade bei der ersten Riege der Künstler des 18. Jahrhunderts einsteigt, kann man davon ausgehen, dass man heute nur noch einen Bruchteil dessen bezahlt, was die Gemälde den Auftraggebern gekostet haben, Kunst hin oder her).

Die Lösung ist aufgrund dieser Indizien gar nicht so schwer: Bei der Dame dürfte es sich um Maria Theresia handeln, die mit der sogenannten "pragmatischen Sanktion" als Frau die Erbfolge der Habsburger antreten konnte. Bis dahin waren nur männliche Nachkommen erbberechtigt, aber alle anderen Stammhalter waren gestorben, als Maria Theresia die Macht übernahm. Daraufhin begann 1740 der österreichische Erbfolgekrieg, und das Haus Habsburg verlor die deutsche Kaiserkrone an das Haus Wittelsbach. Maria Theresia blieb erst mal nur Erzherzogin von Österreich und Königin von Ungarn und Böhmen. Es dauerte bis 1748, bis sie sich wirklich auf dem Thron etabliert hatte, und allgemein als Erbin akzeptiert war. Davor hatte man den Krieg gegen sie natürlich auch juristisch und theologisch begründet, indem man ihr als Frau das Recht absprach, Stammhalterin des Hauses zu sein. Gerade Bayern und Franzosen, beide katholisch wie die Österreicher, taten sich mit solchen Argumenten hervor, als sie in den österreichischen Besitzungen einfielen.

Mit diesem Vorwissen ist es leicht, das Bild zu entschlüsseln. Dass wir es mit wirklich Maria-Theresia zu tun haben, zeigt ein Blick auf die Krone: Obwohl ihr Kopf geneigt ist, steht das Kreuz darauf senkrecht. Zusammen mit den Zacken geht man sicher nicht fehlt, an die ungarische Stephanskrone zu denken, die Maria-Theresia seit 1740 trug.



Auf der rechten Seite sehen wir demnach die Verkündigung ihres von Gott und der Religion sowie den beiden Testamenten abgeleiteten Rechts, diese Position einzunehmen. Die beiden Gestalten am Boden verweisen auf die entsprechenden Stellen, aus denen sich ihr Recht des Erbes und der Thronfolge ableiten lässt. Damit lässt sich auch der auffallende Baum im Hintergrund erklären: Auch wenn ein grosser Ast erkennbar abgebrochen ist, geht der Baumstamm stark und füllig weiter nach oben. Es ist eine Allegoerie des Hauses Habsburg, die zeigen soll: Es macht nichts, wenn der männliche Stamm weg ist, die Familie geht unverändert weiter. Den Mann im Hintergrund würde ich deshalb als ihren Vater Karl VI. vorstellen wollen, der in der Hand die Urkunde der pragmatischen Sanktion hält.

Nachdem von der deutschen Kaiserkrone in diesem Bild noch nichts zu sehen ist - später taucht sie durchaus liegend neben der Kaiserin auf -, und man sich nach 1748 in der Erbfolge sicher sein kann, ist das Bild recht leicht in die Phase des Erbfolgekrieges zwischen 1740 und 1748 zu datieren.

Ölskizze aus dem Umkreis von Maulbertsch, "Maria-Theresia wird von der Dreifaltigkeit und dem alten und neuen Testament in ihren Rechten als Erbin des Hauses Habsburg bestätigt", 1740-1750 - das dürfte vermutlich die richtige Interpretation sein. Die Interpretation mit dem losen Frauenzimmer gefällt mir natürlich trotzdem besser. Am besten aber gefällt mir, dass es so sagenhaft billig war - weil der Kunsthändler und andere potenzielle Käufer nicht in der Lage waren, es zu entschlüsseln, zu datieren und zuzuweisen. Peinlich, meine Herrschaften.

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553 Millionen Dollar Strafe

und das Eingeständnis, kriminell gehandelt zu haben - wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung.

Wenn das die Deutsche Bank in den USA tut und eingestehen muss, braucht man sich über Liechtenstein nicht weiter zu beschweren.

Aber, wie sagt die Bank nicht so schön:

The bank said the settlement would not have any impact on net income.

Na dann ist ja alles prima.

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