: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Samstag, 4. Dezember 2010

Nie!

Gewisse Dinge, Verhaltensweisen und Tätigkeiten habe ich mir früher nicht vorstellen können. Zum Beispiel, dass ich kein Fleisch esse - keiner hätte das mit 16 von mir geglaubt, 10 Jahre später war ich Vegetarier und bin es bis zum heutigen Tag, wenngleich auch nicht so, dass ich andere überzeugen wollte. Nie hätte ich mir mit 20 vorstellen können, dass das Leben jenseits der 40 angenehme Seiten hat. Von offenen Autos hielt ich wenig, bis ich zunm ersten Mal damit die Gardesana nach Süden fuhr. Und Colnagos waren in meinen Augen zwar schön, aber nichts auf der Welt rechtfertigte die überzogenen Preise, die sie für das Eingravieren eines Kreuzzeichens (eigentlich kein Spielkartensymbol, sondern eine symbolisierte Blüte des Frühlings) in einen ansonsten normalen Rahmen verlangen.



Inzwischen habe ich zwei Colnagos, eines aus Titan und eines aus Stahl. Früher wäre es nie denkbar gewesen. Warum dann heute? Weil die Gelegenheiten günstig waren, weil ich Colnagos natürlich trotzdem mochte, und weil es keinen Sinn macht, etwas liegenzulassen, nur weil es zwar günstig, aber gegen alte Auffassungen ist. Ich habe nichts gegen Colnagos. Grossartige Räder. Das Argument des Preises hat sich mit dem Aufstieg von Carbon verflüchtigt, also, warum nicht. Nie hätte ich das tun gekonnt, aber das Wollen ist eine andere Sache, die das Können in sich trägt.

"Weil ich kann", sagt ein Freund oft, wenn man ihn auf solche Möglichkeiten anspricht. Trotzdem bin ich eigentlich ein sparsamer Mensch, der sehr genau und auch kalt abwägt, was Sinn macht. Und der auch vieles bleiben lassen kann. Ich bin nicht wie andere, sie auch Jahre später entgangenen Gelegenheiten nachweinen. Es ist, wie es ist, es kommen neue Gelegenheiten.

Und manche Sachen kommen ohnehin einfach nicht in Frage. Zur Mille Miglia fahren: In Ordnung. Photographieren, begleiten, hetzen, darüber schreiben, drei Tage Ausnahmezustand an den Auspüffen, in den Abgasen alter Kisten - sicher. Selbst wenn es trotz bezahlter Arbeit ein Verlustgeschäft ist. Aber die Teilnahmegebühren beim Rennen an sich sind vollkommen irrwitzig. Was man mit dem Geld alles machen könnte. Brutal gesagt: Die Mille Miglia kostet so viel wie eine ordentliche, günstige Barockkommode. Plus ein paar Biedermeierkommoden für den Rest. Für 4 Tage Autofahren durch Italien ist das einfach zu teuer.



Allerdings habe ich vor zwei Wochen das Angebot bekommen, als Copilot bei einer Bewerbung um die Startplätze mitzumachen. Das wird einem gesagt. Und in dem Moment ist es, als stünde man in Brescia, und man hörte von hinten das böse Geräusch eines alten Motors, der bald 1000 Meilen durch Italien geprügelt wird. Es kribbelt den Rücken hinunter. Ich sass in meiner Wohung, aber ich hatte den Geruch von schlecht verbranntem Benzin in der Nase. Ich war auf dem Sofa, aber in diesem Moment war ich wieder an der Engelsburg in all dem Lärm und Gestank an der grossen Rampe:

È confusa la mia testa,
Non so più quel ch'io mi faccia,
E un orribile tempesta
Minacciando, o Dio, mi va
Ma non manca in me coraggio,
Non mi perdo o mi confondo,
Se cadesse ancora il mondo,
Nulla mai temer mi fa.

Und dann habe ich sofort ja gesagt. Einfach so. Weil ich kann. Einmal nicht der Zuschauer sein, sondern am Lenkrad, in all dem Lärm der Nacht an der Engelsburg.

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