Die Globalisierung des Imari Porzellans
ohne die Globalisierung des Geschmacks - eine kleine Abhandlung über den Welthandel, Raub, Produkt- und andere Piraterie, drittklassige Produkte sowie die unveränderliche Dummheit der Menschen - also dem einzigen Produkt, das nicht gehandelt werden muss, weil es überall in grossen Mengen gedeiht.
7 Jahre lang, von 1592–1598, versucht das kriegerische Japan, auf dem asiatischen Festland Fuss zu fassen. Ziel der Expansion ist Korea, wo es nach anfänglichen Erfolgen bald zu einem blutiger Guerillakrieg gegen die schlecht versorgten Invasoren kommt. Das bergige Land erweist sich als schwer zu kontrollieren, und als auch noch das China der Ming-Dynastie Korea unterstützt, geben die Japaner auf - allerdings nicht ohne vorher den technologischen Vorsprung der Koreaner hemmungslos zu kopieren und die Wissensträger nach Japan zu verschleppen.
Die Japaner interessieren sich dabei besonders für die hochentwickelte Töpferei. In Korea wurde zwei besondere Formen der Keramik entwickelt, das schreiend bunte Satsuma mit aufgesetzten Figuren, und ein mit aufwendigen Ornamenten in Blau, Rot, Grün und Gold bemaltes Porzellan, das es den Japanern sehr angetan hatte. Dieses Porzellan kam in Japan eine Weile in Mode, ohne dabei wirklich als erstklassig zu gelten. Ein Nippes, mehr nicht. Es wäre vielleicht bald wieder vergessen worden, hätte sich 1630 nicht die Vereinigte Ostindische Kompanie auf einer Insel vor Nagasaki festgesetzt, um Handel mit dem ansonsten abgeschlossenen Edo-Königreich zu führen. Und eben jene Holländer, bei denen daheim gerade die Formenpracht des Barock wucherte, waren von diesem bunten Porzellan begeistert.
Denn in Europa gab es nichts vergleichbares. Das bunte Porzellan war der fehlende Stein in einem luxuriösen Stilpuzzle, das im Manierismus Wände, Möbel und Bilder überwuchert hatte, aber in der Keramik noch keinen Ausdruck gefunden hatte. Dieses Porzellan hatte von Anfang an die genau richtige Formen- und Farbenpracht, um das europäische Manko stilsicher zu beheben, und die Holländer begannen sofort mit dem Export der Stücke, die nach dem japanischen Versandhafen Imari benannt wurden.
Bestes europäisches Silber gegen minderwertigen japanischen Kitsch - das war ein Geschäft, dem auch das isolierte Japan nicht widerstehen konnte. Um Imari herum entstanden eine Reihe von Töpfersiedlungen, die ausschliesslich für den Export nach Europa produzierten. Selbst, als in Japan niemand mehr das aufdringliche, wenig sauber bemalte Zeug sehen konnte, verharrte die Produktion in den Formen, die Japan schon in Korea geklaut hatte. Hauptsache, die Langnasen zahlten und blieben ansonsten aus Japan draussen.
Aber schon damals erwiesen sich abgeschottete Märkte als wenig sinnvoll. Aus Sicht des chinesischen Festlandes war das eher dicke, schlecht gebrannte Imari Porzellan mit seinem völlig veralteten Formenschatz noch inferiorer als in Japan. Aber China war vergleichsweise offen für europäische Händler, und die dortigen Keramikproduzenten, die seit Jahrhunderten weissblaue Ware für Europa herstellten, begriffen im 18. Jahrhundert, dass sie das Imari Porzellan problemlos kopieren konnten. Schon bald hatte das billige Imari aus China den japanischen Markt mit billigeren Preisen, grösseren Mengen und einem besseren Standort 1000 Meilen näher an Europa überholt.
Das war das ein schwerer Schlag für den japanischen Hafen Imari, aber nicht für das Porzellan, das in Europa eine beständige Karriere durch alle Stilepochen mitmachte. Imari findet sich auf den Prunkstilleben des frühen 17. Jahrhunderts, es wurde am Hof Ludwigs XIV begehrt, es ist bei Watteau auf den Gemälden zu sehen, und blieb auch im Biedermeier und im viktorianischen Zeitalter das bestimmende Produkt aus Fernasien. In China brannte man stoisch Imari als Zeug für die Europäer als reine Exportware immer weiter, denn daheim wäre Imari im 18. und 19. Jahrhundert so unverkäuflich gewesen wie bei uns heutigentags Eiche Rustikal.
Allein, der Markt interessiert sich nicht für Geschmack, sondern nur für Geld. Europas merkantilistisch eingestellte Fürstenhäuser sahen das schöne amerikanische Silber nach Osten fliessen, und versuchten, Imari daheim herzustellen. Das mündete in die Erfindung des europäischen Porzellans, das zu Beginn vor allem Imari zu kopieren versuchte. Meissen, Limoge, Nymphenburg sind nur die bekanntesten Vertreter einer Zunft, die ihren Aufstieg der Produktpiraterie an drittklassigem Kitsch verdanken, der zu diesem Zeitpunkt bereits schon zweimal aus Korea und Japan vorgeklaut war. Es mag die Asiaten getröstet haben, dass die Europäer dumm genug waren zu glauben, damit ein Stück echter asiatischer Lebenskultur eingeführt zu haben.
Da aber die Dummen weder zeitlich noch örtlich begrenzt sind, hat die Geschichte ein Nachspiel. Mit dem Ende der chinesischen Qing-Dynastie 1911 und den beginnenden Bürgerkriegen, sowie dem Ersten Weltkrieg und der anbrechenden industriellen Moderne geht auch die chinesische Produktion von Imari Porzellan zu Ende. Danach folgt ein für Asien extrem unglückliches Jahrhundert von Krieg, Unterdrückung, Diktaturen und Vernichtung aller kulturellen Traditionen. Japan wird zwangseuropäisiert, China unter der Kulturrevolution untergepflügt, Koreas Elite wird ausgelöscht, Thailand verkommt zum globalen Bordell, und die Hochkultur der Khmer wird auf den Killing Fields erschlagen. Die rasend schnelle digitale Moderne in Fernasien ist eine direkte Folge der Vernichtung der Vergangenheit, eine Suche nach neuer Identität auf der geistig-moralischen Tabula Rasa.
Ohne Geschichte und Herkunft in einer plattgemachten Gesellschaft, beginnen die neuen Eliten mit der Suche nach Werten und Traditionen. Das ist nichts zwingend Positives, ganz im Gegenteil; meist gleicht es den peinlichen Legitimationsversuchen mittelalterlicher Europäer, die partout von Hektor, Achill, Romulus oder Cäsar abstammen wollten. Und jeden Preis bezahlten, wenn man ihnen die passenden "Beweise" herbeischaffte. Die gleiche Suche findet gerade in den wirtschaftlich boomenden Riesenstädten Chinas und Koreas statt. Dort will eine neue Oberschicht weg vom Staub der Flussebenen, aus der Opa kam, wg von den Verbrechen der Kulturrevolution, an denen sich der Vater beteiligte. Man will wieder eine vorzeigbare Geschichte haben, schön bunt soll sie sein, sehr chinesisch aussehen, alt natürlich, um Tradition vorzutäuschen, und vorzeigbar.
Und so werden die Asiatika-Auktionen in Europa gerade leergekauft von Händlern, die verrückt nach dem Imari Porzellan sind. Der billige Dreck des Rokoko erlebt eine ungeahnte Renaissance, denn nichts erscheint in Schanghai, Shenzen und Peking chinesischer als grobe Keramik, die wenig dezenten Gold und Farbenpracht von Wohlstand und Luxus kündet - ganz im Gegensatz zu den wirklich guten, aber schlichten Stücken mit blauer Bemalung. Imari ist so "echt" wie ein heute in China produzierter Bierkrug mit Neuschwanstein drauf - aber es ist Zeichen einer altneuen Identität in der aufsteigenden Boomregion. Imari drückt für Chinesen, Japaner und Koreaner ein Asien aus, das es genauso wenig gegeben hat wie das erfundene Asien der Aufklärung, und das gerade durch seine Nichtexistenz zur Auffüllung mit Mythen taugt.
Wir Europäer in den Auktionsräumen können darüber nur lächeln, auch wenn es mitunter weh tut, wenn telefonisch die besten Stücke weggesteigert werden, und Imari für uns nicht mehr bezahlbar ist. Der globalisierte Handel geht aufgrund der Nachfrage in die andere Richting, können wir festhalten, und mit den Achseln zucken. Und dabei einen entscheidenden Fehler machen: Denn in unserer eigenen Dummheit übersehen wir, dass es nicht Europas in Amerika geklautes Silber ist, das durch den Handel zurückkommt, sondern das Geld, das wir für den Import unserer billigen Handies, der Digicams, wackligen Gericomlaptops oder der Bauteile des iPods nach China überweisen.
Man kann jetzt darüber diskutieren, wer dümmer ist: Ein Asiate, der Jahrhunderte alten billigen Kitsch für seine Identität hält, oder der Europäer, der mit neuem asiatischen Dreck seine Identität neu erfindet. Globalisierung rulez.
7 Jahre lang, von 1592–1598, versucht das kriegerische Japan, auf dem asiatischen Festland Fuss zu fassen. Ziel der Expansion ist Korea, wo es nach anfänglichen Erfolgen bald zu einem blutiger Guerillakrieg gegen die schlecht versorgten Invasoren kommt. Das bergige Land erweist sich als schwer zu kontrollieren, und als auch noch das China der Ming-Dynastie Korea unterstützt, geben die Japaner auf - allerdings nicht ohne vorher den technologischen Vorsprung der Koreaner hemmungslos zu kopieren und die Wissensträger nach Japan zu verschleppen.
Die Japaner interessieren sich dabei besonders für die hochentwickelte Töpferei. In Korea wurde zwei besondere Formen der Keramik entwickelt, das schreiend bunte Satsuma mit aufgesetzten Figuren, und ein mit aufwendigen Ornamenten in Blau, Rot, Grün und Gold bemaltes Porzellan, das es den Japanern sehr angetan hatte. Dieses Porzellan kam in Japan eine Weile in Mode, ohne dabei wirklich als erstklassig zu gelten. Ein Nippes, mehr nicht. Es wäre vielleicht bald wieder vergessen worden, hätte sich 1630 nicht die Vereinigte Ostindische Kompanie auf einer Insel vor Nagasaki festgesetzt, um Handel mit dem ansonsten abgeschlossenen Edo-Königreich zu führen. Und eben jene Holländer, bei denen daheim gerade die Formenpracht des Barock wucherte, waren von diesem bunten Porzellan begeistert.
Denn in Europa gab es nichts vergleichbares. Das bunte Porzellan war der fehlende Stein in einem luxuriösen Stilpuzzle, das im Manierismus Wände, Möbel und Bilder überwuchert hatte, aber in der Keramik noch keinen Ausdruck gefunden hatte. Dieses Porzellan hatte von Anfang an die genau richtige Formen- und Farbenpracht, um das europäische Manko stilsicher zu beheben, und die Holländer begannen sofort mit dem Export der Stücke, die nach dem japanischen Versandhafen Imari benannt wurden.
Bestes europäisches Silber gegen minderwertigen japanischen Kitsch - das war ein Geschäft, dem auch das isolierte Japan nicht widerstehen konnte. Um Imari herum entstanden eine Reihe von Töpfersiedlungen, die ausschliesslich für den Export nach Europa produzierten. Selbst, als in Japan niemand mehr das aufdringliche, wenig sauber bemalte Zeug sehen konnte, verharrte die Produktion in den Formen, die Japan schon in Korea geklaut hatte. Hauptsache, die Langnasen zahlten und blieben ansonsten aus Japan draussen.
Aber schon damals erwiesen sich abgeschottete Märkte als wenig sinnvoll. Aus Sicht des chinesischen Festlandes war das eher dicke, schlecht gebrannte Imari Porzellan mit seinem völlig veralteten Formenschatz noch inferiorer als in Japan. Aber China war vergleichsweise offen für europäische Händler, und die dortigen Keramikproduzenten, die seit Jahrhunderten weissblaue Ware für Europa herstellten, begriffen im 18. Jahrhundert, dass sie das Imari Porzellan problemlos kopieren konnten. Schon bald hatte das billige Imari aus China den japanischen Markt mit billigeren Preisen, grösseren Mengen und einem besseren Standort 1000 Meilen näher an Europa überholt.
Das war das ein schwerer Schlag für den japanischen Hafen Imari, aber nicht für das Porzellan, das in Europa eine beständige Karriere durch alle Stilepochen mitmachte. Imari findet sich auf den Prunkstilleben des frühen 17. Jahrhunderts, es wurde am Hof Ludwigs XIV begehrt, es ist bei Watteau auf den Gemälden zu sehen, und blieb auch im Biedermeier und im viktorianischen Zeitalter das bestimmende Produkt aus Fernasien. In China brannte man stoisch Imari als Zeug für die Europäer als reine Exportware immer weiter, denn daheim wäre Imari im 18. und 19. Jahrhundert so unverkäuflich gewesen wie bei uns heutigentags Eiche Rustikal.
Allein, der Markt interessiert sich nicht für Geschmack, sondern nur für Geld. Europas merkantilistisch eingestellte Fürstenhäuser sahen das schöne amerikanische Silber nach Osten fliessen, und versuchten, Imari daheim herzustellen. Das mündete in die Erfindung des europäischen Porzellans, das zu Beginn vor allem Imari zu kopieren versuchte. Meissen, Limoge, Nymphenburg sind nur die bekanntesten Vertreter einer Zunft, die ihren Aufstieg der Produktpiraterie an drittklassigem Kitsch verdanken, der zu diesem Zeitpunkt bereits schon zweimal aus Korea und Japan vorgeklaut war. Es mag die Asiaten getröstet haben, dass die Europäer dumm genug waren zu glauben, damit ein Stück echter asiatischer Lebenskultur eingeführt zu haben.
Da aber die Dummen weder zeitlich noch örtlich begrenzt sind, hat die Geschichte ein Nachspiel. Mit dem Ende der chinesischen Qing-Dynastie 1911 und den beginnenden Bürgerkriegen, sowie dem Ersten Weltkrieg und der anbrechenden industriellen Moderne geht auch die chinesische Produktion von Imari Porzellan zu Ende. Danach folgt ein für Asien extrem unglückliches Jahrhundert von Krieg, Unterdrückung, Diktaturen und Vernichtung aller kulturellen Traditionen. Japan wird zwangseuropäisiert, China unter der Kulturrevolution untergepflügt, Koreas Elite wird ausgelöscht, Thailand verkommt zum globalen Bordell, und die Hochkultur der Khmer wird auf den Killing Fields erschlagen. Die rasend schnelle digitale Moderne in Fernasien ist eine direkte Folge der Vernichtung der Vergangenheit, eine Suche nach neuer Identität auf der geistig-moralischen Tabula Rasa.
Ohne Geschichte und Herkunft in einer plattgemachten Gesellschaft, beginnen die neuen Eliten mit der Suche nach Werten und Traditionen. Das ist nichts zwingend Positives, ganz im Gegenteil; meist gleicht es den peinlichen Legitimationsversuchen mittelalterlicher Europäer, die partout von Hektor, Achill, Romulus oder Cäsar abstammen wollten. Und jeden Preis bezahlten, wenn man ihnen die passenden "Beweise" herbeischaffte. Die gleiche Suche findet gerade in den wirtschaftlich boomenden Riesenstädten Chinas und Koreas statt. Dort will eine neue Oberschicht weg vom Staub der Flussebenen, aus der Opa kam, wg von den Verbrechen der Kulturrevolution, an denen sich der Vater beteiligte. Man will wieder eine vorzeigbare Geschichte haben, schön bunt soll sie sein, sehr chinesisch aussehen, alt natürlich, um Tradition vorzutäuschen, und vorzeigbar.
Und so werden die Asiatika-Auktionen in Europa gerade leergekauft von Händlern, die verrückt nach dem Imari Porzellan sind. Der billige Dreck des Rokoko erlebt eine ungeahnte Renaissance, denn nichts erscheint in Schanghai, Shenzen und Peking chinesischer als grobe Keramik, die wenig dezenten Gold und Farbenpracht von Wohlstand und Luxus kündet - ganz im Gegensatz zu den wirklich guten, aber schlichten Stücken mit blauer Bemalung. Imari ist so "echt" wie ein heute in China produzierter Bierkrug mit Neuschwanstein drauf - aber es ist Zeichen einer altneuen Identität in der aufsteigenden Boomregion. Imari drückt für Chinesen, Japaner und Koreaner ein Asien aus, das es genauso wenig gegeben hat wie das erfundene Asien der Aufklärung, und das gerade durch seine Nichtexistenz zur Auffüllung mit Mythen taugt.
Wir Europäer in den Auktionsräumen können darüber nur lächeln, auch wenn es mitunter weh tut, wenn telefonisch die besten Stücke weggesteigert werden, und Imari für uns nicht mehr bezahlbar ist. Der globalisierte Handel geht aufgrund der Nachfrage in die andere Richting, können wir festhalten, und mit den Achseln zucken. Und dabei einen entscheidenden Fehler machen: Denn in unserer eigenen Dummheit übersehen wir, dass es nicht Europas in Amerika geklautes Silber ist, das durch den Handel zurückkommt, sondern das Geld, das wir für den Import unserer billigen Handies, der Digicams, wackligen Gericomlaptops oder der Bauteile des iPods nach China überweisen.
Man kann jetzt darüber diskutieren, wer dümmer ist: Ein Asiate, der Jahrhunderte alten billigen Kitsch für seine Identität hält, oder der Europäer, der mit neuem asiatischen Dreck seine Identität neu erfindet. Globalisierung rulez.
donalphons, 12:40h
Dienstag, 21. März 2006, 12:40, von donalphons |
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noergler,
Dienstag, 21. März 2006, 13:07
Hochinteressante Darstellung!
Und "ruled" in "rulez" korrigiert; wollte ich auch gerade anmerken. Ah, wie bin ich heute wieder so sprachsensitiv!
Und "ruled" in "rulez" korrigiert; wollte ich auch gerade anmerken. Ah, wie bin ich heute wieder so sprachsensitiv!
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donalphons,
Dienstag, 21. März 2006, 13:08
Man will es der Leserschaft ja nicht immer so leicht machen, mit den kurzen Happen.
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che2001,
Dienstag, 21. März 2006, 13:17
Alphonsinischer Sprachduktus
"Der billige Dreck des Rokoko erlebt eine ungeahnte Renaissance" -welch ein geiler Satz!
btw.: Ich kaufte einmal in den sandigen Weiten des Orients eine Kufeiya ("Handmade by Beduins", wie mir versichert wurde), und als ich das weiße Tuch mit dem schwarzen Stirnband mir aufs Haupt setzen wollte, fand ich ein eingeprägtes Katakana-Schriftzeichen und die Worte "Japan Silk".
Meissen et al: Denen wiederum hat ab Ende des 18. Jahrhunderts die Steingut-Massenware englischer Töpfereien im Billig-Segment Konkurrenz gemacht und dadurch das, was dann bürgerliche Tischkultur ausmachte, vielfach erst ermöglicht, da sich die meisten Haushalte die Edelporzellanware gar nicht leisten konnten. Die Steingutteller und Steinzeugkannen (da steht beim Che zuhause Etliches aus dem 19. Jahrhundert im Schrank, neben Silberbestecken mit 30 Zentimeter langen Messern für die Erwachsenen und Besteck in Erwachsenenbesteckgröße für die Kinder sowie goldgesäumten Rosenthaler und Bavaria) haben beim kleinen und mittleren Bürgertum im Zeitraum zwischen Directoire und Märzrevolution überhaupt erst Holzteller und Tonkrüge abgelöst. Heutzutage sind diese Gegenstände selber kostbare Antiquitäten, aber zu ihrer Zeit den heutigen IKEA-Tassen vergleichbar.
btw.: Ich kaufte einmal in den sandigen Weiten des Orients eine Kufeiya ("Handmade by Beduins", wie mir versichert wurde), und als ich das weiße Tuch mit dem schwarzen Stirnband mir aufs Haupt setzen wollte, fand ich ein eingeprägtes Katakana-Schriftzeichen und die Worte "Japan Silk".
Meissen et al: Denen wiederum hat ab Ende des 18. Jahrhunderts die Steingut-Massenware englischer Töpfereien im Billig-Segment Konkurrenz gemacht und dadurch das, was dann bürgerliche Tischkultur ausmachte, vielfach erst ermöglicht, da sich die meisten Haushalte die Edelporzellanware gar nicht leisten konnten. Die Steingutteller und Steinzeugkannen (da steht beim Che zuhause Etliches aus dem 19. Jahrhundert im Schrank, neben Silberbestecken mit 30 Zentimeter langen Messern für die Erwachsenen und Besteck in Erwachsenenbesteckgröße für die Kinder sowie goldgesäumten Rosenthaler und Bavaria) haben beim kleinen und mittleren Bürgertum im Zeitraum zwischen Directoire und Märzrevolution überhaupt erst Holzteller und Tonkrüge abgelöst. Heutzutage sind diese Gegenstände selber kostbare Antiquitäten, aber zu ihrer Zeit den heutigen IKEA-Tassen vergleichbar.
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donalphons,
Dienstag, 21. März 2006, 13:28
Ich sollte vielleicht ehrlichkeitshalber zugeben, dass die abgebildeten Imariteller (links Japan 18., beide rechts China 19. Jahrhundert und darunter seltenes Jugendstilimari aus Japan) mir selbst gehören - ich also auch nicht frei von kognitiver Dissonanz bin.
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donalphons,
Dienstag, 21. März 2006, 13:36
Solange keine Hummelfiguren auf dem Kamin stehen...
dass sowas auf den gleichen auktionen ebenfalls höchstpreise erzielt, wäre auch mal ein thema
dass sowas auf den gleichen auktionen ebenfalls höchstpreise erzielt, wäre auch mal ein thema
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che2001,
Dienstag, 21. März 2006, 14:25
Ich habe Eltern, die einerseits mit Silbersteck, Goldrandporzellan etc bis zum Abwinken ausgestattet sind, zum Trinken nichtalkoholischer Kaltgetränke aber ausschließlich alte Senfgläser verwenden, weil man in der Generation kein Geld für den Neuerwerb banaler Trinkgläser auszugeben bereit ist. Wenn man bei denen eine Getränkeflasche auf den Tisch stellt (und es ist kein Wein oder Bier), so wird die empört und hektisch heruntergenommen und irgendwo in den Fußraum gestellt, weil eine sichbare Flasche auf dem Tisch als unanständig gilt.
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franz.brandtwein,
Mittwoch, 22. März 2006, 00:00
Bei uns heissen die bis heute "Kuehne-Kristall".
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strappato,
Dienstag, 21. März 2006, 13:29
Da fällt mir etwas ein, dass ich diese Woche gelesen habe. Die China-Restaurants sterben in Deutschland aus. Keiner will mehr diese überladenen Plastik-Einrichtungen mit Pagode und Drachen vor der Tür. Da gibt es eine Berliner Firma, die an diesen Einrichtungsteilen klotzig verdient haben. Wenn dann ist heute im Westen ein eher minimalistisches Asien angesagt. Sushi und Muji. Auch bei den Intellektuellen in China.
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donalphons,
Dienstag, 21. März 2006, 13:35
Das "minimalistische" China und Japan ist aber auch wieder so eine Erfindung für den Westen. China ist inzwischen dabei, als Markt für europäische Kronleuchter den mittleren Orient zu überholen. Von wegen Reislampe, oder so.
Ansonsten werde ich stets chinesisches Essen dem Spülwassergeschmack von Sushi bevorzugen. Das Problem der Chinesen könnte auch sein, dass schlichtweg Glutamat aus der Mode ist, und es mit "Thaifood" eine weitere Konkurrenz gibt.
Ansonsten werde ich stets chinesisches Essen dem Spülwassergeschmack von Sushi bevorzugen. Das Problem der Chinesen könnte auch sein, dass schlichtweg Glutamat aus der Mode ist, und es mit "Thaifood" eine weitere Konkurrenz gibt.
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che2001,
Dienstag, 21. März 2006, 13:42
Ist nicht die Reislampe längst untrennbarer Bestandteil linksalternativer Wohnkultur und nur in der Synopse mit Flokati, Hochbett, bunt bemaltem Bauernschrank und kommodengroßen Bassreflexboxen denkbar? So wie seinerseits der Kristallüster von gewissen Leuten zwingend als Bestandteil eines Ensembles betrachtet wird, zu dem Deckenspiegel, Whirlpool, Marmor-Massivbauweise und die Sitzkrücke für den Jagdfalken so selbstverständlich dazugehören wie der Kronleuchter zum Tamagotchi und der Neuschwanstein-Fototapete, vor der eine Plastikminiatur des Schreins von Edo aufgebaut ist?
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rollinger,
Dienstag, 21. März 2006, 14:23
auch hier werden Chinarestaurants mit den albernen Wandbilder und Drschenlämpchen mehr und mehr durch schnelle Thaiküchen ersetzt. Zum ersten Mal schmeckt das Zeug, wie man sich das vorstellt. Gemüse und Fleisch frisch direkt vor den Augen gebrutzlet.
Zum Text: Sehr schön, hab ich was gelernt! Wie das Porzellan heißt, daß es gar einen eigenen Namen hat und ein Geschichte.
Sehr gut.
Zum Text: Sehr schön, hab ich was gelernt! Wie das Porzellan heißt, daß es gar einen eigenen Namen hat und ein Geschichte.
Sehr gut.
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franz.brandtwein,
Dienstag, 21. März 2006, 14:56
Spuelwassergeschmack von Sushi ... wenn ich Lust auf Quecksilber habe esse ich ein Fieberthermometer.
... wer hats noch gleich gesagt?
... wer hats noch gleich gesagt?
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strappato,
Dienstag, 21. März 2006, 15:30
It’s like playing Russian roulette with your health whenever you purchase sushi with tuna.
http://gesundheit.blogger.de/stories/402667/
http://gesundheit.blogger.de/stories/402667/
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donalphons,
Dienstag, 21. März 2006, 16:41
Vielleicht auch an einem alten Spiegel innen lecken? Da muss man kein Glas zerbeissen.
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drsno,
Dienstag, 21. März 2006, 17:17
Nun ja, in Bezug auf "chinesisches Essen" muss man sich ja auch im klaren sein, dass die meisten China-Restaurant Klassiker ebenfalls ein schlechtes Plagiat thailändischer, malayischer oder indonesischer Küche darstellen.
Wenn ich daran denke was ich so zwischen Kanton und Schanghai alles herunter würgen musste, dann ist gehacktes Hundefleisch noch wirklich harmlos.
Wenn ich daran denke was ich so zwischen Kanton und Schanghai alles herunter würgen musste, dann ist gehacktes Hundefleisch noch wirklich harmlos.
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netbitch,
Dienstag, 21. März 2006, 17:24
Hühnerbeine mit Krallen dran, Schmetterlingsraupen (der Begriff "pelziges Gefühl im Mund " neu definiert), frittierte Engerlinge, Schwalbennester, Waraneier, und die absolute Spezialität "Tiger und Drache": Eine Katze und eine Schlange gemeinsam geshmort.
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strappato,
Dienstag, 21. März 2006, 17:32
Mein Favorit bei der Dienstreise nach Shanghai waren
Tausendjährige Eier
http://de.wikipedia.org/wiki/Tausendjährige_Eier
Und da kommt man nicht drumherum.
Tausendjährige Eier
http://de.wikipedia.org/wiki/Tausendjährige_Eier
Und da kommt man nicht drumherum.
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che2001,
Dienstag, 21. März 2006, 17:42
Meine Erfahrung mit der indischen Küche war hingegen dergrstalt, dass man eigentlich sich das ganze Kochen hätte sparen können und einfach nur einen Teller voll Sambal Oelek hätte heiß machen müssen, denn zwischen Reis, Curry und Fleisch konnte ich vom Geschmack her nicht mehr unterscheiden. Meine Gastgeber würzten nach, weil es ihnen zu lasch war.
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logog,
Dienstag, 21. März 2006, 17:47
ich kenne nur die Hühnerfüße ohne Beine. Damit läßt sich dann aber auch Klasse Jurasic Parc im Restaurant spielen. Mein Neffe ist voll drauf abgefahren.
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franz.brandtwein,
Dienstag, 21. März 2006, 22:06
@che - da bin ich ganz d'accord, ich erinnere mich noch gerne an wirre Software-Inder die auch noch die uebelste Hoellensuppe als sweet empfanden und zu undurchsichtigen Gewuerzen griffen um nach ihrem Empfinden etwas Geschmack hineinzupraktizieren, das ganze hat wohl damit zu tun das in Suedostasien schon in fruehster Kindheit die Geschmackspappillen durch reichliche Gewuerzgabe verhornhautet werden.
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franz.brandtwein,
Dienstag, 21. März 2006, 23:09
Ja, ganz genau so - die Jungs hatten allesamt soviel Hornhaut im Mund, da haette es taktische Nuklearwaffen gebraucht um denen mal ein Hoppla, das ist jetzt aber scharf zu entlocken ... die waren aber auch sonst recht rustikal ... aber das ist eine andere Geschichte ....
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meonly,
Dienstag, 21. März 2006, 16:46
Schöner Text. Unterhaltsam zu lesen und dabei informativ. Da hab' ich was dazugelernt. Ich gestehe, bislang nicht viel Interesse für Porzellan-Geschichte gehabt zu haben. Aber Deine Einleitung hat genug Neugier geweckt, mich hier mal ein bisschen ins Thema einzulesen.
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che2001,
Dienstag, 21. März 2006, 17:19
Auch die Dinge haben ihre Tränen
Die Kulturgeschichte der Gebrauchsgegenstände ist über weite Strecken rasend interessant, etwa die der Fayencen, die als leuchtende Zierkacheln an chinesischen Pagoden und Palästen schon in der Frühantike aufkamen (möglicherweise durch Handelskontakte aus Mesopotamien und Ägypten, wo das Wissen um die Fayenceherstellung seit grauer Vorzeit vorhanden war, mit dem Untergang der babylonischen und pharaonischen Zivilisation aber verloren ging) , über Indien ins persische Sassanidenreich gelangten, als "Majolika" von den Arabern in der Blütezeit der islamischen Kultur, also im Früh- und Hochmittelalter über die arabische Welt verbreitet wurden, um als "Azulejos" zu einem wichtigen Teil der maurischen, christlich-spanischen und manuelinischen Architektur zu werden. Benannt sind sie nach Faenza, der italienischen Stadt, wo im 15. Jahrhundert erstmals Fayencegeschirr hergestellt wurde.
Oder der damaszierte Stahl, der Jahrhunderte brauchte, um von Ostasien nach Europa zu gelangen...
Oder der damaszierte Stahl, der Jahrhunderte brauchte, um von Ostasien nach Europa zu gelangen...
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noergler,
Dienstag, 21. März 2006, 18:38
Oder wenn man beispielsweise auch an die Atombombe denkt, die auf geheimnisvoll verschlungenen Wegen von Deutschland in die USA und von dort zwar nach Israel, aber noch nicht in den Iran gelangte.
Ach ja, die guten alten Dinge ...
Ach ja, die guten alten Dinge ...
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jens-olaf,
Mittwoch, 22. März 2006, 17:31
Zurück zum Thema
Alphonso hat recht. Auf den Regionalmärkten in Korea gibt es beste Keramik, individuell, mit Hingabe hergestellt. Aber das blödsinnige Porzellan (grün in Korea) hat einfach den besseren Ruf. Egal ob Retro oder sonstwas. Steinware hat einfach keinen Klang, keine Lobby. "Shade", wie meine chinesische Bekannte zu sagen pflegt.
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