: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :

Mittwoch, 22. März 2006

Ich mag die Amerikaner

Da sind die ex"liberal"en Neocos-Neonazis wenigstens ehrlich in der Selbstbeurteilung:

"Once I was a conservative, once I was a liberal, once I was a libertarian. I got sick of those labels, so even though I'm not too happy with labels, I finally said, 'Well, I'm a racist.'"

Hierzulande muss man dem braunen Dreck der Blogosphäre ja noch täglich sagen, dass er ebensolcher ist.

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Zu Besuch bei der Bürgerlichkeit

Ich kann es verstehen, wenn die Medien heute, nach 15 Jahren in der trendigen, hippen Sackgasse des Temponachmachens, zurück wollen zur ruhigen Bürgerlichkeit. Die lange bekniete, angeschleimte junge Zielgruppe hat sich wegentwickelt vom Papiermedium, und so bleibt nur der Rückzug auf ein Klientel, das freakiges Layout eher widerwillig mitgemacht hat, die Best Agers, die Silver Hairs, die Vertreter klassischer Sekundärtugenden, mit denen man eine Familie, ein Internat, ein KZ oder ein mittelständisches Unternehmen betreiben kann. Diese Klientel ist die sichere Bank für Printmedien, es sind die Abonichtabbesteller, es sind die, die sich eine Zeitung halten, wie sie sich vielleicht einen Hund halten, und in diese Rolle fügen sich FAZ, Zeit und Süddeutsche gerade wieder mit wohligem Schauder ein. Denn warm ist es unter dem Tisch des Spiessers, und es gibt, wenn man brav ist, auch Leckerlis. Besonders, wenn man dem Spiesser vorlügt, er wäre ein Vertreter der gesellschaftlich so wichtigen Bürgerlichkeit, vergeistigt beginnend bei dem Adelspostenjäger Göthe über den dreckigen Nazi Wagner bishin zum den reaktionären Adenauer. Das alles kommt jetzt wieder aus den Rinnsalen der Gossen gestunken, braun und nach Verwesung duftend, aber wer weiss, vielleicht gefällt es ja dem Publikum.

Es wird zum Trend erhoben, und die bei Ex-Nazis gekauften Umfragen machen auch den Jungen weiss, dass sie traditionelle Werte wollen, ach wie schön wäre es, wenn sie es glauben würden und sich danach verhielten, zum Wohle der Presse, des Merkels und der personalgepimperten, blagenwerfenden Familienvonundzu. Retro ist schick, Retro zu prä1914, prä1945 kommt ja nicht so gut. Das Vorbild kann man sich anschauen. Zwischen den Posten Varia und Möbeln beim Auktionshaus Behringer habe ich zwei Stunden Zeit, das zu besichtigen, was von den Medien als altneues Ideal gepredigt wird. Nie war Bürgerlichkeit selbstbewusster, ungebrochener, skrupelloser und so ideologisch gleichgeschaltet wie im Kaiserreich zwischen 1871 und 1918. Mit der Königswarter Strasse in Fürth hat sich das zu Geld gekommene Bürgertum ein Denkmal erschaffen, aus dem jetzt die letzten Stücke herausgebrochen werden, die bei Behringer unter den Hammer kommen.



Weitgehend unzerstört reihen sich hier Prunkbauten kilometerlang aneinander. (Mehr Bilder im Bildteil hier) Säulen, Architrave, Stuck, Figuren, Lisenen, Obelisken und jede andere architektonische Spielform wurden verwendet, um nach draussen zu zeigen, was man ist und was man hat, und vor allem, was man gerne wäre, nämlich: Dem Adel, der besseren Klasse gleichgestellt, oder zumindest akzeptiert. Steif ging es drinnen weiter, die Damen hatten keinen Beruf und konnten sich der Sauberhaltung des Haushalts widmen. Keine Glotze, kein Radio wollte Gebühren oder Anrufe bei 0800er Nummern, und so ging das Geld in zwei Meter Schiller, Heine und Göthe, die aber doch zu anstrengend waren, weshalb man sich das Lokalblatt und die Gartenlaube hielt. Ja, es waren goldene Zeiten für die Presse, als die Bürgerpaläste hoch aufragten, kein Wunder, dass man sich in den Medienzentralen den Diwan zurückwünscht und den grossen Eichentisch mit geschnitzten Löwenfüssen, auf denen die warme, gebügelte Zeitung liegt, die später auch das Tischgespräch beherrscht.

Besagter Tisch hat nachher bei Behringer die Nummer 5203, Limit 120 Euro. Auf den Türmen der Häuser stehen dicht gedrängt die Satellitenschüsseln, und der Stuck an der Decke wird von billigen Flutern in der Ecke verschandelt. Niemand würde heute noch so bauen, statt dessen reduziert man die Formen auf das wesentliche und investiert das Geld lieber woanders, Plasma-TV zur WM etwa, oder die Reise nach Mauritius, gebucht im Internet, oder man erwirbt die schlichte Toplinie von Rolf Benz. Die alte Lampe von Opa wird schon lang nicht mehr geputzt, vielleicht landet sie auch bald beim Behringer, spätestens beim nächsten Umzug, den, wie im Wirtschaftsteilm der Zeitung gefordert, unsere flexible, allzeit bereite Zeit mit sich bringt. Also an dem Tag, wo auch gleich das Abo abbestellt wird, kurz bevor die neue Bürgerlichkeitsimulation bei einem Möbelhaus vor einer anderen Stadt gekauft wird.



Die Vorfahren sind längst zerfallen in der sandigen Erde der Fürther Kirchhöfe. Es führt kein Weg zurück in diese Zeit, in der die Zeitung mangels Konkurrenz zwingend dazugehörte. Wer jetzt aus dem Kauf von Rosenthal Maria Weiss oder R&B Fischbesteck, aus Benimmkursen und Tischsitten schliesst, dass ein relevanter Teil der Gesellschaft zurückgeht in den Historismus, weiss nicht, wie das Vorbild tatsächlich beschaffen war. Und er sieht nicht den Umgang besagter Bürger mit den Trümmern der Vergangenheit, die im Fürther Auktionshaus in der Dunkelheit wenig später den Besitzer wechseln. Zitate sind es allenfalls, Nostalgie vielleicht oder Exzentrik, Anbiederung an die bessere Gesellschaft oder den CEO - aber nichts, worauf man als Zeitung sein Recht zur Existenz ableiten könnte.

Angesichts dessen, was die elektronischen Medien an Lebensentwürfen zwischen Seelenstrip, Starallüren und Krawalltalk bieten, mag die neualte Bürgerlichkeit vielleicht sogar einen gewissen Charme haben, allein es fehlt die Bereitschaft. Und angesichts der politischen Richtung dieser medialen Hoffnung, die gern Thron, Altar, Militarismus im Inneren und Bückling vor den ostelbischen von Spackos hätte, kann ich die fehlende Willigkeit nur begrüssen, selbst wenn ihre kronleuchternden Spolien später im Auto bei der Fahrt über Fürths zerborstene Strassen fröhlich klimpern.

Nachtrag: Ich lese übrigens am Samstag in Fürth, gleich um die Ecke...

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