Real Life 27.04.2005 - in Herrn Miris Reich

So ganz hast du die Microökonomie des Kellers noch nicht verstanden. Von Aussen sieht es nach absolut nichts aus, kaum jemand, der es nicht kennt, verirrt sich hierher. Über eine enge Treppe geht es in ein schlecht beleuchtetes Souterrain. Mit dem, was hier unten steht, könnte man fünf Antiquitätenläden in bester Lage Münchens füllen. Wer das wohl alles kauft? Aber Woche für Woche verschwindet ein dir bekanntes Stück, und ein neues taucht auf. Es gibt nicht viele Käufer - aber wer kommt, sagt her Miri, nimmt immer etwas mit.

Du bist wegen deiner kleinen Schwester da, die ein Jahr lang eine Silbermenage wollte und sich jetzt endlich dazu durchgerungen hat, sie zu kaufen. Wie sich herrausstellt, bist du auch dazu da, später auch noch ein paar Biedermeier-Brotschalen zum Auto zu schleppen, Spiegel zu prüfen, in Uhrwerke zu schauen. Man kämpft sich Millimeter für Millimeter an den Vitrienen vorbei, die auch schon ein Vermögen kosten würden, wenn sie hier nicht banale Lagermöglichkeiten für weitere Schätze, klein und kostbar, wären.

Für jedes Teil, das sie nimmt, entdeckt sie drei andere, die sie haben will. Es ist viel, sehr viel. Du stehst daneben und unterdrückst ein Lachen - seit ein paar Stunden solltest du mit ihr beim Essen sitzen, aber Herr Miri lässt sich Zeit, erklärt, berät, und bietet Package Prices, die die Standhaftigkeit deiner kleinen Schwester so hart wie Marzipan werden lässt. Es wird mehr als vorgesehen. Du nimmst nichts, gibst nur Ratschläge, suchst nach Silberstempeln und Meistermarken. Und wenn sie lange feilschen, ziehst Du die Gemälde aus dem Stapel, findest eine Szene aus Sorrent, Mitte 18., aber auch Herr Miri weiss das, also ... vielleicht, wenn du aus Berlin gehst. Zum Abschied.



Zum Schluss zeigt er deiner Schwester noch ein Brilliantenkollier. Nicht so ein winziges mit einem Halbkaräter, sondern eines, das man im ersten Moment für Strass halten würde, denn das kann sich in echt kaum jemand leisten. Konnte es in diesem Fall wohl auch nicht. Herr Miri steckt den dazugehörigen Ring an seinen kleinen Finger, dreht ihn, erfreut sich am Glanz. Er weiss, dass es lang dauern wird, bis die richtige Kundin den Weg die enge Treppe herunter kommt. Zeit spielt für ihn keine allzu grosse Rolle, wie auch für seine Schätze.

Und wenn es dann weg ist, holt er etwas Neues. Es gibt genug gehobenes Bürgertum zum Auflösen. Er macht aber auch Schlösser - dafür hat er jetzt ein neues Lager. Er wird dir es mal zeigen, aber ihr sucht schon seit längerem einen Termin, und du hast den Verdacht, dass er gar nicht unbedingt verkaufen will, sondern sammeln und bewahren, was an verstreuten Trümmern von dem blieb, was man früher als die bessere Gesellschaft bezeichnete.

Zwischen all dem Prunk stehen auch ein paar Globen. Auf einem, aus den späten 20er Jahren, den du ganz zum Schluss entdeckst, sind noch alle damals ca. 100 Flugplätze der Welt mit kleinen Doppeldecker-Symbolen verzeichnet. Besonders abgegriffen sind die Regionen um Usedom, Biarritz und Ligurien. Da hatte jemand noch Träume, bevor alles Mitte des letzten Jahrhunderts unterging. Wer weiss, ob der Besitzer nicht auf den Kaukasus, Rumänien, Griechenland oder Nordafrika verreisen musste, und vielleicht in den Ardennen, Tunis oder im warmen, unendlich blauen Wasser vor Malta blieb.

Der Preis ist zu hoch, noch, aber nächste Woche wirst du auf einen Tee bei Herrn Miri vorbeischauen, mit ihm draussen auf der Bergmannstrasse sitzen, und noch mal ordentlich über den Preis reden. Wenn er ihn überhaupt her geben will.

Donnerstag, 28. April 2005, 13:50, von donalphons | |comment

 
Ganz groß
Für solche Stimmungsbilder lieben wir Dein Blog. Wenn ich mal wieder nach Bärlin komme, müssen wir auch mal zum Miri.

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Meine Schwester hasst mich inzwischen schon, weil ich ihr so viel aufgeschwatzt habe. Wie in der Wirtschaft - die Berater sind immer schuld.

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@ herr miri
Wenn Du, lieber Don, mir mal die Anschrift von Herrn Miri geben würdest, würde ich einen 1A-eCommerce auftritt für Ihn gestalten. Von unterschiedlichen Bezahlmöglichkeiten über Costumer Realtionship Management mit angeschlossenem Enterprise Resource Planning und Business Intelligence. Gleichzeitig würde meine Beratung durch den Einsatz von Promotiondamen und Aufstellern die Costumer Satisfaction am Point-Of-Sale in die Höhe treiben. Nicht zuletzt würden die Stammkunden des Herrn Miri durch gezieltes Direktmarketing (entsprechende Mailings mit ausziehbarem Respondteil) den Umsatz in die Höhe treiben....

Vorbezeichneter Schmarrn zeigt mir immer wieder auf:

Früher und Heute machen die Leute -auch ohne WWW-Geld. Nicht nur dies, sie vermitteln auch Träume von längst untergegangenen Epochen und dies kann kein Geld der Welt.

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Herr Miri nimmt auch grössere Summen Bargeld. Und hat seit nicht allzu langer Zeit ein Faxgerät. Sein Katalog ist auf Papier in einem Ordner. So geht das Geschäft.

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Wartet nur ab, wie obiges PR-Blogging den Umsatz explodieren lässt. Wo kann man sich Anteile der kommenden Miri AG reservieren lassen?

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lies dies.

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Aha! Erfolg durch Flash. Oder trotz?

[Nachtrag: Soviele Pop-Ups hatte ich zuletzt beim Klicken auf die URL teen-sex-viagra-penis-enlargement-for-free.com auf dem Bildschirm]

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Einfach wunderschön. Da kaufe ich auch mal ein. Oder Don hat halt eine Person mehr auf dem Bestellzettel.

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@ ecommerce
Die Website steht schon, tolle Site ! Ich mag Flash (siehe DCT)...

Nur das CRM und das ERP bräuchte eventl. noch einen fähigen Consultant ;-)

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Es gibt drei Miris: Den hier erwähnten Miri in der Bergmannstrasse, dann einen weiter nördlich, und dann noch den mit der Website.

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In jeder Familie gibt es ein schwarzes Schaf.

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Was ist das eigentlich für ein Name, Miri? Armenisch, ungarisch oder sowas?

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Der Miri mit Website hat zwei grosse Lager, aber hauptsächlich mit Stilmöbeln - nicht schlecht, aber eben auch nicht das, was ich will.

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bergmann-boulevard of broken dreams
ach ja, der don in der kreuzberg61-fin de siecle umgebung. auf bildungs-und erholungsurlaub aus dem harten wedding der standcontainer. aber es geht auch nur irgendwie noch um 'koof mich'.

das eher profane ist ja, daß herr miri den eingeborenen die reste ihrer träume abkauft. und den luxus hat, den zugereisten, oder denen auf durchreise diese träume weiterzureichen. allerdings mit einem kräftigen zuschlag.

bitte don, unterstütze doch lieber die pächter in der markthalle mit
deinem geld. die brauchens dringend. o wehe dir, wenn du noch nicht dort warst.

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Wenn ich da bin, kaufe ich dort den Käse.

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na da bin ich je denn beruhigt...
bei dem guten käse dort...

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