Dienstag, 30. November 2004
Angedisst
Mit Bademantel und Handtuch läuft sie inmitten einer der typischen architektonischen Landschaftsbrachen Werbung für die Hotelüberkapazitäten. Für einen Preis, den man in München für ein Gasthofzimmer im Speckgürtel zahlen würde, bekommt man hier eine Suite für 2 mit Blick auf ein paar Schrumpfhochhäuser und Verwaltungsangestelltenverwahrungsanstalten. Schlecht für den Sex, so eine Aussicht. Vermutlich paaren sich hier nur Verwaltungsangestellte.
Nachtrag für Walter Serners letzte Lockerung: "Kommst Du in eine Stadt, in der die Suiten am Platze weniger als 100 Euro kosten, reise sofort wieder ab. Niemand hat hier das Geld, das Du Dir von ihnen erhoffst".
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DCT-Outing
der Stachel muss wohl tief sitzen, von damals, als wir die Wirtschaftszeitschrift gezwungen haben, innerhalb eines Tages zweimal ihren Artikel über Dotcomtod umzuschreiben? Und damals, bei WLAN? Dass Sie jetzt hintenrum rumschnüffeln, finde ich nicht unwitzig; wenn ich daran denke, wie Sie die Versager von Paybox Anno 2001 in den Himmel geschrieben haben, kann das ja spassig werden: "Mit einem pfiffigen System von Paybox wird Bargeld überflüssig" - äh, tja...
Sie könnten mich auch direkt anmailen, wirklich. Machen auch genug andere, und die haben bislang noch immer ehrliche Antworten bekommen. Übrigens auch von der Verlagsgruppe, und noch nie war dann eine Einstweilige Verfügung meinerseits nötg, glauben Sie mir. Falls es aber investigativ werden sollte- tja, da sollte man halt ein wenig vorsichtig sein... Aber das ist jetzt ohnehin zu spät.
Allen Sentinels sei hiermit aber verkündet: Da ist ein Journalistl K**** im Busch und wühlt rum (wo hab ich nur meinen Finaliser ;-) ).
UPDATE: OOOps, welchen Server haben wir denn da in der Statistik?
30 November 16:25 Verlagsgruppe Handelsblatt, Düsseldorf, Deutschland
Hi! Ja, so macht investigativer Journalismus Spass :-) Noch nichts von Anonymizer gehört?
Update: Developing Story mit viel Insider-Material hier und hier und hier
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Dirt Picture Contest - Lychener Strasse
Inclusive einer Sammlung diverser Aufkleber, die man, wenn der Partner gerade einen Parkplatz sucht und nicht findet, in der Zwischenzeit als Lektüre nutzen kann.
Weiter oben ist dann noch ein Lüchenschrank, gegenüber ein Boiler, jeweils ausser Funktion und zertrümmert.
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Montag, 29. November 2004
Warum Du in den Wedding ziehen wirst.
Mann, Du bist, offen gesagt, am Ende. Lass uns reden, ok? Es gibt drei Möglichkeiten. Suizid, nicht wirklich angenehm, aber nachhaltig und für Dich garantiert sorgenfrei, wenn Du auch da nicht wieder versagst. Der Gedanke geht Dir schon seit Monaten durch den Kopf, ungefähr so lange wie die Idee von Deinem Projekt, und um das mal klar zu sagen: Beide Gedanken sind gleich scheisse. Die zweite Möglichkeit ist, eine psychische Störung vorzutäuschen, mit der Du gegenüber Deinen Eltern erklären kannst, dass Du die letzten Jahre nicht zurechnungsfähig warst und sie doch bitte die Schulden ein letztes Mal begleichen. Dann gehst Du zurück in die Provinz und beginnst mit 32 die Buchhandelslehre, die Du schon nach dem Abi hättest machen sollen. Du würdest als Versager unter Deinen alten Kumpels dort den Fussabstreifer geben, haha, der Mitte-Depp auf der Fresse, hehe, war ja schon immer klar. Auch nicht prickelnd, was?
Also die dritte Möglichkeit: Hör auf, ein Mitte-Depp zu sein. Reduziere konsequent alle Ausgaben und gehe dorthin, wo es noch Chancen gibt, wo nach Neuland zu entdecken ist, wo Du Dein Schicksal endlich mal selbst in die Hand nehmen kannst, wo Dich keiner kennt, wo alles erst am auf 0 gesetzt wird zum grossen Neuanfang: Komm in den Wedding.
Genauer in den Randbereich des Weddings rüber zum Prenzlauer Berg zwischen Behmstrasse, Prinzenallee und Wollankstrasse. Und alles wird gut - warum - bitte hier lesen.
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Warum Du in den Wedding ziehen wirst.
Mann, Du bist, offen gesagt, am Ende. Lass uns reden, ok? Es gibt drei Möglichkeiten. Suizid, nicht wirklich angenehm, aber nachhaltig und für Dich garantiert sorgenfrei, wenn Du auch da nicht wieder versagst. Der Gedanke geht Dir schon seit Monaten durch den Kopf, ungefähr so lange wie die Idee von Deinem Projekt, und um das mal klar zu sagen: Beide Gedanken sind gleich scheisse. Die zweite Möglichkeit ist, eine psychische Störung vorzutäuschen, mit der Du gegenüber Deinen Eltern erklären kannst, dass Du die letzten Jahre nicht zurechnungsfähig warst und sie doch bitte die Schulden ein letztes Mal begleichen. Dann gehst Du zurück in die Provinz und beginnst mit 32 die Buchhandelslehre, die Du schon nach dem Abi hättest machen sollen. Du würdest als Versager unter Deinen alten Kumpels dort den Fussabstreifer geben, haha, der Mitte-Depp auf der Fresse, hehe, war ja schon immer klar. Auch nicht prickelnd, was?
Also die dritte Möglichkeit: Hör auf, ein Mitte-Depp zu sein. Reduziere konsequent alle Ausgaben und gehe dorthin, wo es noch Chancen gibt, wo nach Neuland zu entdecken ist, wo Du Dein Schicksal endlich mal selbst in die Hand nehmen kannst, wo Dich keiner kennt, wo alles erst am auf 0 gesetzt wird zum grossen Neuanfang: Komm in den Wedding.
Genauer in den Randbereich des Weddings rüber zum Prenzlauer Berg zwischen Behmstrasse, Prinzenallee und Wollankstrasse. Und alles wird gut. Schon wenn du hier die Strassen runtergehst, wirst Du Dinge sehen, die es bei Dir in Mitte nicht gibt. Hier leben Kleinbürger, und Kleinbürger stehen nun mal auf Ordnung. Es gibt weniger Grafittti, Sticker, Hundekot und Kaugummi auf den Strassen. Es ist immer noch genug, um das typische Berlinslum-Gefühl zu haben, aber Du merkst nach hundert Metern, wenn Du zum ersten mal hier bist, dass Du das eigentlich gar nicht brauchst. Ausserdem ist es still hier, und der Fensterschmuck der alten Frauen zeigt, dass hier und dort noch ein klein wenig Romantik in den Herzen ist. Du siehst es, musst an Deine arme Oma denken, die Dir jeden Monat 100 Euro in der Hoffnung schickt, dass Du sie nicht für Joints durchorgelst, und das schlechte Gewissen setzt Dir zu, beim Anblick dieses Fensters.
Zwei Schritte weiter, gleich daneben, ist die Wohnung zu vermieten. Stell Dir das mal vor: Eine nette alte Dame als Nachbarin, die Dir das Salz leiht und Dir vielleicht noch einen Lebkuchen gibt. Erinnerst Du Dich, als Du Dir bei Julia das Salz ausgeliehen hast? Die arme Sau war am Ende so malle, dass sie Waschpulver in den Salzstreuer getan hast. Ach so, der Gedanke an Julia tut weh. Klar, verstehe ich. Dass sie Dir am Abend, als sie sie geholt haben, noch vor die Tür gekotzt hat, ist kein Grund, sie nicht trotzdem mal zu besuchen, meinst Du nicht? Niemand geht gern in die Geschlossene, aber Du ... jaja, ich hör schon auf. Wie auch immer, bei der Lebkuchen-Dame würde es kein Sauerkraut mit Ariel geben. Jedenfalls, diese Wohnung ist Parterre, gross und sicher nicht allzu teuer.
Willste mal genauer fragen? Die Wohnzentrale ist gleich die Strasse runter, und preislich kann man immer was drehen. Du musst übrigens nicht so trotten. Na los, ein bisschen schneller - ach so, Du bist flau im Magen, es ist drei Uhr Nachmittags, und es gab bei Dir noch nicht mal das gestrige Abendbrot, mangels Kohle... aber komm, die 40 Cent für ein Fladenbrot hast Du sicher. Nein, ich täusche mich nicht, 40 Cent kostet das hier, he, es ist Wedding, hier würden die ganzen Feinkost-Fidschis mit ihren 80-Cent-Fladen keine Woche überlegen, da schau rein:
Das ist übrigens auch ein Nachtkauf, optimal für so Typen wie Dich. Auch die Bierpreise sind hier sehr human. Und wenn Du hier einziehst und erst mal weder Telefon noch Internet hast, weil es ja gesperrt ist, kannste das hier auch für die Hälfte von dem machen, was Du in der Kastanienallee zahlen würdest. Coffee 2 Go 4 2 Euro gibt´s hier auch nicht, aber Kaffee zum mitnehmen oder am Monitor für 50 Cent, das gibt es. Krieg Dich wieder ein, das ist normal hier. Echt. Jaja, Pberg ist nur 500 Meter weg, aber das war vor der Mauer auch schon so, dass hier die Glücklichen und drüben die Verarschten gesessen sind, nur ist es jetzt drüben kapitalistische Verarsche. Ich bring Dir was zum Futtern, dann geht´s weiter.
So, das sind also die Mietangebote. Hier kannst Du ab 200 Euro inclusive Nebenkosten was Besseres als Dein 100% teureres Loch in Mitte bekommen. Wenn Du auf 60 Quadratmeter rauf willst, zahlst Du immer noch weniger als für 30 im Prenzlberg. Du hast hier freie Auwahl, Grösse, Ausstattung, Preis, alles sofort zu beziehen, und wenn Du die 3 Monate Kaution von Deinem Loch bekommst, hast Du hier schon 2 Mieten sicher. Weisst Du, was das heisst? Du bist wieder flüssig, zumindest hört das Zittern am Automaten auf. Oder nimm was grösseres, hol Dir einen anderen Versager als Untermieter und lass ihn 70% der Kosten tragen. That´s business, wird Zeit, dass Du das lernst. Genau hier im Wedding, nicht bei den Versagern in Mitte. Und dabei bist Du von hier aus mit dem Rad in 10 Minuten in der Schönhauser Allee. Ach, Du hast kein Rad, weil es geklaut wurde? Kein Problem.
Willkommen im Mekka der An- und Verkäufer! Ist hier alles kein Drama. Rund um die Wollankstrasse sitzen ein Dutzend Wohnungsauflöser, da kann man auch gute Schnäppchen machen. Echt. Wenn Du bei meiner kleinen Schwester in die Wohnung kommst und den Korbleuchter mit den 800 Kristallen siehst, würdest Du nie glauben, dass der von hier ist. Die Grundausstattung kannst Du für 100 Tacken zusammenkaufen, und das ist auch nicht schlechter als Ikea. Sondern besser. Porzellan, Bleikristall, das kostet hier weniger als das Starterset von Ikea. Bei der Gelegenheit kannst Du auch gleich mal das Verhandeln üben. Auch das gehört zum Geschäft. Fahrrad ist ab-so-lut kein Problem. Aber Du fährst dann doch lieber Deine Schrottkarre weiter? Zumindest kannst Du Dir dann die tägliche halbe Stunde Parkplatzsuche schenken. Hier findet auch der grösste Schlitten genug Platz.
Überall frei. Und dann auch noch die Grünflächen... OK, es gibt echt hässliche Ecken im Wedding, aber nicht hier. Hier sind überall Bäume, Gärten und kleine Rasenstücke. Sehr viel mehr als in Mitte, und es sind keine Trümmergrundstücke! Das muss man sich mal vor Augen halten. Hier wurde am Rand der Westzone bis 1989 was für die Anwohner getan, und davon hat das Viertel bis heute was. Bei Licht betrachtet, ist dieses Eck vom Wedding besser restauriert, besser in Schuss, besser verkabelt und besser gegen Stromschläge gefeit als der Slum über dem Bahndamm. Klar, Suizid vertuschen ist schwieriger mit richtigen Kabeln, aber hey, Du siehst ja schon wieder ganz passabel aus, frisch renoviert. Macht die frische Luft im Grünen.
Noch was. Natürlich sind die Leute hier nicht reich, aber wenn sie mal arbeitslos werden, versuchen sie in der Regel, wieder einen Job zu bekommen, einfach, weil ihnen wenig anderes übrig bleibt. Das ist halt der Westen, im Gegensatz zu dem Sozialschmarotzertum der Projektmenschen in Mitte, die vom Staat kassieren, was geht, und falls ihr Projekt Geld brächte, wären sie die ersten, die Steuern hinterziehen würden. Hier im Wedding gibt es tatsächlich die Chance, Arbeit, einen Nebenjob, irgendwas zu finden, was zumindest etwas Geld bringt. Auf ehrliche Art und Weise. Ja, das hast Du seit 7 Jahren nicht mehr gemacht, als Du das Taxi geschrottet hast, aber es klappt bei einem Grossteil der Bevölkerung, also auch bei Dir - und sicher besser als Dein Projekt. Danach bist Du dann auch fertig und kommst nicht mehr auf die Idee, Deine Kohle in überteuerten Läden im LSD-Viertel durchzubringen. Zumal es hier Läden gibt, die es an Originalität mit jedem Szenebums aufnehmen können:
Ach so, ist Dir zu strange. Das Essen bei denen ist nicht schlecht, wenn Du auf Eingeborenenkost stehst. Zum Essen ist die Gegend sowieso zu empfehlen: Billig und gut, teuer und schlecht hätte hier einfach keine Chance gegen die Konkurrenz. Döner ab 99 Cent, beispielsweise, bis 4 Uhr morgens. Chinapfanne 1,50. Und falls mal Mama vorbeikommt, bekommst Du Gebäck wie das, das sie aus der Provinz gewöhnt ist - zum Rekordpreis und auch in quietschlila. Wie daheim, wird Deine Mama denken und glauben, dass alles in Ordnung ist.
Ist es aber doch nicht. Denn hier, nur eine U-bahn-Station vom Pberg entfernt gibt es kaum wirklich coole Locations. Eine einzige Ausnahme hat in der Behmstrasse eröffnet, aber die ist eher was für ältere Leute. Da kannst Du mit Mutti hingehen, aber nicht mit Claudia. OK, das ist ein Problem. Dann musst Du eben rübergehen. Ist auch kein Beinbruch, denn Du musst über eine Brücke, und die schaffst Du nur, wenn Du nicht zu viel gesoffen hast, sag mal, hörst Du mir überhaupt noch zu? He? Was ist? Da drüben?
Ja, die Bunte Bühne. Ist dicht. Der Name ist klasse, eigentlich, da hast Du Recht, der Schriftzug ist auch geil. Bunte Bühne, was das kostet? Keine Ahnung, erst mal nichts, 6 Monate mietfrei sind hier bei Gewerbeimmobilien im Wedding die Regel... Ob ich in eine Bunte Bühne gehen würde? Logisch. Bunte Bühne. Es gäbe auch genug junge Leute hier, die hier nichts haben ... könnte was werden ... eigentlich wäre ein Club genau das, was hier noch fehlt. Der übliche Mischmach, ein bisschen Galerie für die umliegenden Künstler, die von der Degewo gesponsort werden; die haben übrigens auch keinen Treffpunkt in der Ecke ... Blogger gibt´s hier auch ein paar, logo.
Break
Es ist Dezember 2009. Eine billige Praktikantin von der Zitty spricht bei einem Mittdreissiger vor, der als der "Kneipenpadron vom Wedding" bekannt ist. Er erzählt ihr, wie er damals, Ende November 2004, durch das Viertel spazierte, den Kopf voller Ideen, und als er dann das Fenster der netten alten Dame sah, der das gesamte Haus und noch ein paar andere gehörten, da hat sich sein Leben verändert. Er wusste, es würde das Zukunftsviertel werden. Er gab seine Wohnung in Mitte auf, zog hier her, eröffnete die Bunte Bühne, auch bekannt als die Schule der Stars, denn alle jungen Literaten haben hier gelesen, MTV machte hier seine Castings, dann machte er das legendäre Tonhaus Corso in der Heidebrinker auf, der Hexenkessel wurde schnell eine Berühmtheit weit über die Grenzen Berlins, und heute sind die wirklich coolen Leute hier, im aufstrebenden Wedding. Wenn der arbeitschscheue, zurückgebliebene Pack vom Pberg drüben bliebe, wäre das Glück hier perfekt. Sagt er, und muss darüber lächeln, dass er selbst mal so ein Mitte-Depp war. Aber inzwischen ist er Wedding, und sein Leben ist schön.
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Schwierig...
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Sonntag, 28. November 2004
Abrissobjekte
Aber die Häppchen beim Symposion 1+2 für das Nachfolgegebäude waren gut. Was in der Reichshauptstadt-Nachfolgestadt Berlin bekanntlich das einzig wichtige Kriterium ist. Mit einem Denkmal die doppelten Portionen an Essen und Awareness und 150% Redensteigerung für die Gedenker in Amateur- und Profiliga und ihre Unterstützer in Politik und Gesellschaft - das nenne ich Performance. Das macht Berlin keiner so schnell nach.
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Blog Dich reich,
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Lieber Sven Jostkleigrewe
Beste Grüsse
Don Alphonso
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Samstag, 27. November 2004
Paid Content mal anders:
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MTV? Viva?
Wie auch inmmer, nach den paar Nächten kann ich sagen: MTV und Viva sind auf allen 4 Kanälen jetzt schon unerträglich. Wirklich gutes kommt aber auf Platz 54 meiner Fernbedienung: Die Nachtschiene mit Bernd dem Brot bei KiKa. Es gibt nur 3 Musikvideos, aber die kann ich bis zum Abwinken gucken. Dashalb, liebe Frau Mühlemann: Ich fordere Sie zum Deathmatch gegen Bernd das Brot auf. Go Bernd go!
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500 Kilometer trockene Strasse
Will sagen, es ist nicht überall so scheusslich, glitschig und schmierig wie hier. Berlin muss nicht sein, es könnte auch verschwinden, niemand würde es vermissen. Das Slum stinkt wie immer, nur kälter. Dafür ist es wenigstens das richtige Wetter für ein Bild vom Abbau Mitte: Das letzte Photo von den intakten Treppentürmen an der "Topographie des Terrors" gibt es morgen auf dieser Site.
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Freitag, 26. November 2004
Irgendeines Gottes (kein spezieller, soll ja einige geben) Inferno
Und am neunten Tag, als Gott auch noch den Höllenbausatz fertig hatte, sah er, dass es endlich gut. Die erste Woche war ja noch ziemlich blöd gelaufen, wie es nun mal so ist, wenn man Anfängern irgendwelche Bastelsets in die Hand drückt. Es kotzte ihn ziemlich an, wenn er einen Blick auf das Paradies oder besser gesagt, das, was er daraus gemacht hatte, warf. Die Hölle war dagegen gelungen, auch die schäbige Bemalung und das verkrüppelte Personal und die windigen Warner vor eben dieser Hölle waren in ihrer verhärmten Hässlichkeit sein Ebenbild, wenn er die Mundwinkel verzog, wie er es nach den Pleiten der letzten Woche verdammt oft getan hatte. Er bohrte zufrieden in der Nase, und überlegte, was er jetzt tun sollte. Zu seinem Pläsier entdeckte er einen weiteren Bausatz, worauf stand "Vorhof zur Hölle mit Provinzstadt-Tarnung, Masstab 1:144".
Und siehe, Gott machte sich daran, sein Werk vor den Toren der Hölle zu vollenden. Er nahm das grosses, breites, nebliges Tal aus der Verpackung, und sah, dass es eine gute Idee war, denn damit würden alle zukünftigen Kreaturen weder Weitblick noch klare Sicht haben. Er schüttete alles rein, was er in der Schachtel fand: Ordentliche Böden und Äcker, Wald, Wiesen und einen breiten, gemächlichen Fluss, der in seiner braunen Behäbigkeit als Lebensmodell herhalten konnte. Dann bohrte er ein grosses Loch als Zugang zum Höllenschlund in die Landschaft, lötete die Hölle unten dran und setzte den Sockel für die Stadt oben drauf. Er machte eine malerische Altstadt und schnitt zynisch die Hälfte der Gebäude wieder raus, um Schneisen zu schlagen für postmoderne Kaufhäuser und betonbunte, familiengerechte Wohnanlagen, die aber wie alte Häuser taten.
Draussen dann setzte sich alles im frohen Mix der Scheusslichkeiten fort. Er setzte vor die Tore einiges an berufsmässigen Söldnertruppen, sowie grosse Industrieanlagen, in denen gute Autos und feinste, fliegende Massenvernichtungswaffen hergestellt wurde, von denen ab und zu eine mit lustigem Knall auf den Äckern zerschellte. Meine Schöpfung macht die besten Knallfrösche, dachte Gott und bastelte aufgeregt weiter. Es war schon nach Mitternacht, er war irgendwo zwischen Euphorie und Übermüdung, und wenn ihn die Augen zuzufallen drohten, setzte er noch irgendwohin ein Gymnasium, in dem sadistische Lehrer ihre Schüler zu Höchstleistungen anspornten, oder auch nur zum Besteigen eines Fahrstuhls, um dann von einem Hochhaus herunter Selbstmord zu begehen, weil irgendeine alte, von einem Idioten im Ministerium mit Erziehung beauftragte Betschwesternschachtel gezielt ihren Lebenstraum vernichtet hatte.
Das waren dann auch die ersten Bewohner aus seiner Lieblingsschöpfung, der Hölle, die Gott nach und nach ansiedelte, damit sofort klar war, wer hier die mehreren sein würden, bis zum jüngsten Tag. Nur einmal, als sich die Bewohner auffallend viele braunen Hemden gekauft hatten, Völkermord mitbegingen und auch noch ein paar Flieger lynchten, kamen danach die Amis und gaben kurzfristig anderen Leuten in Führung. Aber schon bald renkte sich alles wieder ein, und die Schriftstellerin, die das Inferno unter der Stadt erkannt hatte, musste zur Strafe hier ihren Lebensabend lebendig begraben als verachtete, gehasste arme Frau zubringen. Lange nach ihrem Tod benannte man die Bibliothek nach ihr, in der es Konsalik und auch einiges an Kirchenvätern gibt. Dann sagte Gott zu mir, ich solle ihm mal die Vorstädte rüberreichen. Die Hundehütten setzte er im Osten hin, wo eine paar stinkende Raffinerie-Attrappen ahnen lassen, was sich unter der Stadt abspielt. Im Norden lag ein Kleinbürgerviertel, das nach einem Frommen benannt ist, im Süden die Architekturträume geschmackloser Aufsteiger, und im Westen dann die Anwesen derer, bei denen das Geld alles möglich macht, vom holzvertäfelten Burgen-Surrogat bis hin zum Palladio-Zitat in Pastell.
Hey, Gott sah, dass es echt gut war, trank ein Red Bull und setzte alle paar Jahrhunderte auch noch eine reaktionäre Elite-Hochschule in die Stadt, denn er wollte, dass sich die Lehren seines Meisterwerks in der ganzen Welt verbreiten, to, äh, wie nennt ihr das, lallte er mich gegen 6 Uhr Morgens an. Top-Down, sagte ich, du willst, dass sie oben was diktieren und unten alle die Fresse halten. Genau, sagte Gott, ich sehe, dass es fucking gut ist, nicht? Ich sagte gar nichts, denn Gott hatte sich schon dem letzten Problem zugewandt. Über die dreispurige Autobahn versuchten einige, den Vorhof zur Hölle zu verlassen. Gott schickte ihnen Flüche hinterher, worauf sie das Falsche studierten und in den Metropolen verhungerten, oder zurückkamen und heirateten, oder sich irgendwo mit ihren übermotorisierten Karren heimischer Produktion überschlugen.
Oooops, sagte Gott, als er gegen 7 Uhr mal wieder jemand frontal in einen Überholer mit dem Kennzeichen ND (wie NationalDepp) hatte knallen lassen, das waren doch eigentlich ordentliche Leute, Stützen meiner Gesellschaft. Konzertverein, Kirchenvorstand, Tennisclub, die Kinder golfen und sind hier an der Uni, was wollten die denn ausserhalb? Eine Verschwörung? Er knetete missgünstig die Warze an seinem Kinn. Du Idiot, brüllte ich ihn an, die wollten doch nur auf den Antikmarkt nach Pfaffenhofen, die gehen trotzdem immer in die Kirche, nur eben an diesem Sonntag nicht, da gehen sie immer schon Samstag. Und Gott sah, dass das nun doch nicht so gut war. Deshalb setzte er inmitten der Stadt gegenüber dem Dom auch noch einen extrem teuren Antikhändler, der von nun an die reichen Spiesser nach dem Kirchgang anzog, und Gott sein Vernichtungswerk an den Fliehenden erheblich vereinfachte.
Und Gott sah, dass es gut gut .... gut ..... gute ..... Guten Morgen, gurrten die Tauben vor meinem Fenster, und die bayerische Sonne knallte vom reinbeissblauen Himmel. Ich hielt mich an der Damastdecke fest und zählte bis 10. Ich bin im Bett, es gibt keinen Gott, alles in Ordnung. Nur schlecht geträumt. Nur -- schlecht -- geträumt, das war alles nicht real. Gestern abend zu viel Tee getrunken, und vielleicht hätte ich nicht so viel an die alten Geschichten denken sollen, von denen die meisten längst stumm unter den dummen Grabsteinen der Provinz vermodern. Ich sollte mir nichts daraus machen, dass in meinem Haus Mörder wohnten, die Menschen nur deshalb vor dem Verbrennen retteten, um sie dann erdrosseln zu lassen und ihre Körper zu sezieren. Mengele war nicht wirklich einzigartig, zwei Stockwerke unter mir war das noch vor 300 Jahren eine gesellschaftlich legitimierte, gottgefällige Handlung.
Ich sollte nicht immer an sie und ihr Lachen denken, die gegenüber von meinem Haus in der Schule war, bis ihr die frommen Frauen dann sagten, dass sie im Abi durchgefallen ist und sich einen Dreck um die Folgen scherten, oder an die wenigen Lehrer, die etwas anderes als die typischen Psychopathen waren und sich deshalb umbrachten. Ich sollte vielleicht rausgehen, mich an der unzweifelhaften Schönheit der Stadt erfreuen, und nicht daran denken, dass hier das Fegefeuer ist, denn das gibt es doch gar nicht, und auch diesen Gott gibt es nicht. Alles nicht wahr. Sicher? Sicher. Ich zog mich an, ging hinunter und atmete die kalte, klare Luft ein. Alles wieder gut, Don? Alles wieder gut. Ich ging zwei Strassen weiter, und als ich an einer Passage vorbeikam, sah ich das:
Heute fahre ich nach Berlin. Nicht so schnell wie möglich, aber dennoch.
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Donnerstag, 25. November 2004
You knew it first
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Manuela´s Frischnudelservice
Du stehst dahinter, mit einem einzigen Becher Schmand in der Hand. Schmand ist das einzige, was du zu deiner Seeligkeit noch brauchst, denn alles andere ist schon daheim und wartet auf dich: Die rote Speisezwiebel, der Feldsalat, der zu raspelnde Pecorino, die Pinienkerne, der Salbei und der Rosmarin, und die Steinpilz-Panzerotti von Manuela´s Frischnudelservice.
Einen Moment spielst du mit dem Gedanken, der Elitesse auf die knochige Schulter zu tippen, und ihr zu sagen, dass die Dosenravioli die Inhaltsstoffe der Chemiebetriebe haben, für die sie in den PR-Seminaren Notfallpläne entwickeln. Dass es vielleicht legal ist, das Zeug zu vertreiben, aber legal heisst noch lange nicht gesund. Dass bei dir zu Hause dagegen im Kühlschrank, wenn sie dich besuchen wollte, ganz andere...
mehr zu Elitessen und Panzerotti bei restaur.antville.org
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Bar Centrale
Es war sehr angenehm, so gegen 17 Uhr in der Bar Centrale einzulaufen, während Francesco nochmal die Bar polierte, und dann zu warten, bis sich der Laden füllte; gegen 22 Uhr war dann absolut kein Platz mehr frei, und der Geräuschpegel war erheblich. Die Bar Centrale war ein Aussenposten von München. Es war die Schule der - damals hiess das noch so - Popper und Yuppies, man blieb unter sich, und wer schon studierte und nur am Wochenende kam, um seine Wäsche machen zu lassen, wusste, dass er hier die alten Freunde treffen konnte, und die neuen Geschichten aus Frankfurt, Hamburg und Köln hören würde - nein, Berlin war damals nicht dabei, das galt als unvorstellbar.
Inzwischen ist die Bar umgezogen, und das Publikum ist auch dabei. Jetzt ist es Mitte/Ende 30, und trägt in der Freizeit Jeans und Lederjacken, was Ende der 90er kaum unvorstellbar gewesen wäre, als es in der Provinz sogar noch Jean Paul Gaultiers Sublabel Bogy´s pour Gibo gab. Man könnte fragen, ob es vielleicht schon was mit der Midlife Crisis zu tun hat, aber ich kann mir das bei den Hiergebliebenen schlecht vorstellen, so selbstsicher und unreflektiert die schon immer waren. Es gibt nur eine wirkliche Veränderung: In und vor der Bar Centrale sind sehr oft Kinderwägen mit wenig dezentem Inhalt. Vermutlich redet man dort heute mehr über Windeln denn über Lebensabschnittspartner, und auch die meisten ausserehelichen Fickkombinationen der Provinzstadt dürfte man inzwischen durch haben.
Egal. Man kann sich trotzdem noch draussen hinstellen, mit dem Espresso, wenn im November die Sonne runterknallt und diese windgeschützte Südecke der Provinzstadt aufheizt, die Sonnenbrille ins Haar stecken, bevor es dann wieder in den Job geht, und am Abend dann mit den Blagen vor die Glotze. Vermute ich mal, denn ich selbst vermeide die Bar Centrale aus Unlust, dort die ein oder andere frühere Bekannte mit ihrem Ehedingsda zu sehen.
In Italien sitzen in der Bar Centrale meistens die alten Säcke, schauen im Sommer den Touristinnen hinterher und im Winter auf ihr belangloses Leben zurück. Die Bar Centrale in der Provinzstadt hat treue Kunden mit einem belanglosen Leben, und wenn das noch 30 Jahre so weiter geht, wird es auch hier das echt italienische Flair einer Ansammlung alter, desillusionierter und gelangweilter Greise geben, die auf die Jugend schimpfen, auf die Fussballübertragungen am Wochenende warten und den Elitessen der lokalen Uni hinterher schauen, die sicher glauben, dass ihr Leben mal ganz anders, spannend und aufregend wird.
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Mittwoch, 24. November 2004
Cut für Kuttner
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Monolog
1987. Im Sommer 1987. Im heissen, traumhaft schönen Sommer des Jahres 1987, am See, und zwar an dem Teil, den man den vielleicht 20, 30 jungen Windsurfern aus dem besseren Teil der Gesellschaft vorbehalten hatte, die alle in der Nähe wohnten und deren Eltern sie jeden Tag hier her brachten. Im Sand, da fing es an, und da ist es auch schon gescheitert. Normalerweise ist überall Kies, aber an der Stelle des ehemaligen Förderturms, dessen Fundamente noch stehen, ist Sand. Das war unser Platz. Der beste Platz, wir waren ja auch immer die ersten, weil wir daneben wohnten. Da hat alles angefangen.
Es gab nicht viel Wind in diesem Sommer, also sassen wir am Strand, und lasen. Nicht irgendwas. Wir lasen Tempo und Wiener. Wir sassen auf den Tüchern, Rücken an Rücken gelehnt mit Margot, Apothekerstochter, oder Evelyn, Tochter des Dresdner-Bank-Leiters, und lasen das, was die Redakteure uns von der grossen Welt da draussen erzählten.
Bis zu diesem Sommer wussten wir nichts. Wir ahnten, dass es nicht gut gehen würde mit uns. Wir sahen das Leben unserer Eltern zwischen Butzenglas-Doppeltüren, Kachelofen und dekorativer Graphik, und sie hatten uns schon früh gesagt, wo unser Platz war: Ihr Nachfolger, oder noch besser: Arzt. Gut, dann werde ich halt Sportarzt, ich bin ja im Tennisclub, dachten sich die meisten. Bestenfalls könnten sie noch Sportarzt in einer grösseren Stadt werden, aber dafür gab es auch keine echten Gründe, denn mehr Kunden für Sportärzte als hier würde es kaum irgendwo anders geben, bei den vielen Skifahrern, Tennisspielern und Reitern in dieser Stadt. Bis 1987 wusste keiner, was man sonst hätte machen sollen. Mein Gymnasium rühmte sich damit, die besten Techniker für die lokale Weltfirma hervorgebracht zu haben, und wir hatten 4 Leistungskurse Mathe und 2 WiSo, aber keinen für Deutsch.
Wir sassen im Sand, schauten nach Süden, Richtung München, 70 Kilometer von hier, und lasen, was dort möglich war. Dass es dort ganz andere Chancen gab. Werbung zum Beispiel. Damals waren in Tempo und Wiener diese Bilder für das Parfum Opium, eine Frau mit kurzen Haaren, die einen Mann energisch an sich ranzieht, schwupps, drei Wochen später sahen da alle so aus, die Eltern waren entsetzt, und wenn Margot dann den Kopf zurücklegte, kitzelten ihre Haare an meiner Schulter. Es war ein verdammt guter Plan, dieses Anything goes. Wir sahen es an uns: Alles war möglich. Ficken ja, heiraten nie, Evelyns Vater wäre durchgedreht, wenn er gewusst hätte, was wir auf dem Surfbrett gemacht haben. Wir kauften plötzlich Musik, die nicht im Radio lief. Wir bestellten Bücher, von denen die Buchhandlungen nichts gehört hatten.
Wir lasen sie hier auf diesem Sandvorsprung, und zwischen uns und München lag nicht mehr diese verdammte, tote, festgelegte Stadt der Zombies, sondern nur ein paar Kilomter, die wir mit Führerschein ganz lässig überbrückten. Wir fuhren hin, kauften bei Robot, Annas und Holy´s Klamotten, die übrigens noch nicht mal teurer als das hässliche Zeug bei uns zuhause in den sogenanten "Boutiquen" waren. Wir waren ganz anders als diese Stadt. Es war klar, dass wir sie verlassen und das tun würden, was uns von Tempo und Wiener geraten wurde. Multimedial, bunt, kreativ, flexibel, unabhängig, und am Abend dann ins Parkcafe. Klang gut. War gut. Die Provinzstadt verschwand bald irgendwo im Norden; nur noch eine vertraute Autobahnausfahrt auf dem Weg nach Frankfurt, wenn wir mal Viola besuchten, die Brokerin wurde.
Designer, Broker, Creative, Computer-Freak, das war hier alles schon angelegt. 10 Jahre später wären wir zusammen sicher ein grandioses Startup geworden. Irgendwann würden wir in diese Stadt zurückkommen, und es den Zurückgebliebenen zeigen. Das war der Anfang, und der Fehler. Die Grundprämisse war falsch. Man hätte die Zurückgebliebenen als Markt gebraucht, als Käufer, als diejenigen, die das alles bezahlten, unser Leben und die Ideale, die man festlegt, wenn ein paar Leute ohne Realitätsbezug zusammenkommen und sich für das Mass aller Dinge halten. Der Fehler war nicht, die Rebellion zu versuchen. Der Fehler war, die Realität in den Städten zu ignorieren, aus denen wir geflohen waren. Man hätte es schon früh merken können, als die lustig-bunten munich-area-style Projekte einiger Heimkehrer in dieser Stadt nach wenigen Monaten pleite waren. Ich hatte das Glück, alle 2 Wochen in dieser Stadt zu sein, und mich von meinem Vater mit 40 Jahren Erfahrung richtig erden zu lassen, ich hatte das verdammt nötig. Solange mein Dad als Referenzkunde nicht im Netz shopte, solang nur die Hungerleider und Praktis den E-Commerce tanzten, war klar, dass es nicht gut gehen würde.
Aber alle Politiker glaubten daran, alle Uni-Leitungen, und deshalb haben sie Euch gut ausgebildet, für einen Markt, den es nicht gibt. Bei AGs beteiligt man sich nur als Ich, man braucht keine Werber, man braucht Altenpfleger, man braucht keine Broker, aber Kassierer werden immer gesucht, man braucht kein mittleres Management im Business Development, man braucht Sachbearbeiter, und den RedakteurInnenposten erfickt man/eherfrau sich bundesweit, oder lässt es eben bleiben. Das hätten wir uns damals am See auch nicht vorstellen können, klar.
Ich bin heute nur noch selten an diesem See. Ich bin auch nicht allzu lang in dieser Stadt, höchstens mal 2 Wochen am Stück. An diese Stelle gehe ich eigentlich nie, obwohl sich hier, glaube ich, mein Leben entschieden hat. Zum Guten. Zum Besten, was angesichts der Realität möglich war. Ich habe einen gut bezahlten, kreativen Medien-Job, den ich liebe, ich bin nebenbei Schriftsteller, ich führe eigentlich ein sehr angenehmes Leben, und ich bin vielleicht sogar so eine Art Idealprodukt dessen, was Tempo und Wiener 1987 vorgegeben haben. Immer noch Zeitgeist, immer noch Anything goes. Es gibt nicht viele, die sich im Moment keine Sorgen machen müssen. Ich bin nicht hier hängengeblieben, ich bin kein Teil dieser kranken Nomenklatura dieser Stadt geworden, ich durfte fliegen, als alle anderen schon längst wieder in die sicheren Käfige gekrochen sind. Das ist viel, verdammt viel, wenn ich mir die jungen Leute anschaue, die jetzt von der Uni kommen. Ich habe die Rebellion mitgemacht, und am Ende meinen kleinen Markt gefunden, ein bisschen wie Voltaires Candide kann ich jetzt sagen, dass ich meinen Garten bestellen will.
Aber nicht hier. Hier habe ich Angst, schlichtweg Angst, hier all diese Leute von damals wiederzutreffen. Ich will nicht diese dummen, immer gleichen Geschichten hören, von den Erwartungen, von dem Glauben, den Visionen, die dann doch keinen Markt hatten, in deren Folge sie dann zurück gingen und das gemacht haben, was ihre Eltern richtig fanden. Sportarzt, Ingenieur, gute, angesehene Leute in Doppelhaushälften und Kindern, die in die Grundschule gehen und für die sie jetzt schon das Hochschulranking lesen. Meine Eltern und ihre Eltern reden ja noch und tauschen diese Geschichten aus, ich höre es indirekt, aber so Angesicht zu Angesicht? Sie würden mir sagen, wie gut es ihnen geht, wie alles geregelt ist in ihrem Leben, und ich müsste ihnen die Geschichten von Rebecca und Kristina erzählen, die tot sind, von Gerold, der mit seiner Galerie auch privat bankrott ging, von Viola, die seit drei Jahren in einer Kreditabteilung sitzt, von Yvonne, Oli und Gregor, die alles versucht haben, in der New Economy endlich alle Ziele erreicht haben, nur um sich heute mit Gelegenheitsjobs über Wasser zu halten. Ich bin mir sicher, dass Margot mit ihren beiden Kindern, die sie von Jürgen hat, mich überhaupt nicht verstehen würde, denn diesen Sommer 1987 hat sie sicher schon längst vergessen und abgehakt, das war nur eine Marotte, die bis zum zweiten Studienabbruch gehalten hat, nicht mehr als eine Anekdote, denn so, wie man sich manchmal im ersten Freund irrt, irrt man sich eben auch in der Rebellion, und heute ist alles, alles gut für sie.
Aber nicht für mich. Ich will es nicht sehen. Von unserem 1987er Standpunkt aus ging es für fast alle schief, es gab keinen Markt für uns, denn die reaktionäre Scheisse, dieser gigantische Markt der Dummheit, dem wir entgehen wollten, hat die meisten eingeholt und sich wieder einverleibt. Da drinnen, in diesem arrivierten Moloch ist es ein warmes Plätzchen für Renegaten, und die machen die besten Kinder für die Unsterblichkeit der Dummheit. Es ist alles gut für sie, wenn auch nicht so schön wie der Sommer 1987 am See, als ich Rücken an Rücken mit Margot Tempo und Wiener gelesen habe, und es nur logisch schien, dass anything gehen wird, und dann lehnte sie ihren Kopf zurück, und ihre kinnlangen Haare, wie in der Werbung für Opium, streiften meine Schultern.
So fing das damals mit der New Economy an.
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: : : denn sie wissen nicht was sie tun sollen : : :
Mittwoch, 24. November 2004
Doch die Barchetta
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Real Life 22-11.04 - Beste Unterhaltung
Schluss mit lustig heisst auch: Alte Werte, alte Tugenden, Achtung vor den Autoritäten. Weg mit dem ganzen Dreck, der in den letzten Jahrzehnten durch TV/die Amis/die Linken, auch bekannt als Vaterlandsverräter aufkam. Zurück zu all das, was die älteren Spiesser noch gelernt haben. Wo? Ach so, bei der HJ oder beim BDM, oder vielleicht bem Werwolf, aber da wird ja auch viel übertrieben, jedenfalls hätte es damals den ganzen Schmutz und die Kriminellen nicht gegeben.
Lustig ist schlecht. Lustig kommt von Lust = Sünde, und wenn das erst mal weg ist, kommt die Union an die Macht, und dann lacht erst mal keiner mehr, und die Bischöfe bekommen einen gerechten finanziellen Ausgleich für die Schäfchen, die ausgetreten sind. Wie sie auch jetzt schon Geld für ihre Form der "Schwangerenberatung" wollen.
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Klattens rote Latten
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