Sie wollen weg hier.

Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin, skandierten die Betrunkenen, die vorhin am Haus vorbeigezogen sind. So etwas sagt man nicht, wenn man nüchtern ist, nehme ich an.



Ungeachtet dessen komme auch ich ab und an beim Rumklicken auf Berliner seiten vorbei: Berlinexilanten aus dem alten Westen und Ostflüchtlinge vor allem, eher selten: Berliner. Die bloggen nicht, die saufen sich zu Tode und lesen Bild.

Vielleicht täusche ich mich auch, aber wenn ich auf ein mir bislang nicht bekanntes Blog stosse, und dann sehr bald über Probleme mit mehr als nur Luxussorgenanmutung lese, tippe ich meist zurecht auf Ostflüchtlinge. Als hätten sie sich in Berlin etwas anderes erwartet, als das zu sein, was sie sind, als gäbe es dort sowas wie einen Freifahrtsschein zu einer Biographie, in der man wirklich nur noch Luxussorgen hat. Nichts gegen Jammern, macht jeder gern, aber wenn aus dem Jammern dann auch noch eine Grundhaltung wird - Gentrifizierung! Gender! Grundeinkommen! - frage ich mich, wo das bittschön ankommen soll. Ja, die Welt ist böse, gemein und verteilt keine Freiflüge auf die Malediven, die Jobsituation ist in Berlin unterirdisch und wem es nicht passt, der kann gerne hierher ziehen, hier wissen sie schon wieder nicht mehr, wo sie noch die Leute für all die tollen Geschäftsmodelle einkaufen sollen. Alle zwei, drei Wochen kommt hier eine Klitsche vorbei und fragt, ob ich nicht lieber was für sie machen möchte. Natürlich gibt es hier aber auch Gender Issues und Wohnraumprobleme und so ekelhafte leistungsfreundliche Vorstellungen wie "Zusagen müssen eingehalten werden". Dafür, dass man hier in der Vorstellung von Berlin sein eigenes, kleines Zwangsarbeitslager ist, sind die Rahmenbedingungen gar nicht so übel, und das Wetter ist selbst im Winter sehr viel besser.

Und wenn man dann mal einen normalen Beruf mit einem normalen Einkommen und so Zeug wie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall hat, kann man bei der nächsten Darmgrippe auch ziviliert darüber nachdenken, wie mies, gemein, kapitalistisch und frauenfeindlich das hier alles ist, wenn der Arzt einen erst mal nicht mehr krankschreibt. Und sich zurück erinnern an das schöne, angenehm siffige Leben jenseits der Zwänge und der Sicherheit, dass die Karte noch am 3. des Monats etwas ausspuckt. Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin.

Dienstag, 14. Dezember 2010, 00:05, von donalphons | |comment

 
Ich war am Wochenende in Berlin. Das ist im Winter der trostloseste Ort, den man sich in der zivilisierten Welt vorstellen kann. Schmutzige Reste von dem, was mal Schnee war, und nun die Hundekacke der letzten 2 Wochen zum Vorschein bringt, schlecht gekleidete Menschen, die durch die zugigen Straßen hetzen und Straßenzüge, die an britische Badeorte in der Nebensaison erinnern, weil die fehlende Außenmöblierung den heruntergekommenen Kern offenbart.

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Komisch, als ich zuletzt in Berlin war, durch den Grunewald wanderte, jemanden am Wannsee besuchte und schließlich in Nikolskoe gemütlich im Blockhaus saß, draußen die winterliche Havel, da fand ich das gar nicht trostlos. Muss ein anderes Berlin gewesen sei.

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"Berliner. Die bloggen nicht, die saufen sich zu Tode und lesen Bild."

Ich bin Berliner, seit 65 Jahren und ich saufe nicht und ich habe noch nie eine Bild gekauft oder gar gelesen. Ich bin aber kein Lokalpatriot und nicht beleidigt. Denn ich sehe ja auch diese von Ihnen trefflich geschilderten Typen hier in U- und S-Bahn. Meist Touristen (aus doofen kleinen Städten an Donau & Rhein).
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Himmelhilf, was hat man bloß anno 2003 (?) mit Ihnen in Berlin gemacht, dass dieser Hass immer wieder & immer noch - hier wie nebenan - hervorsprudelt? Erzählen Sie doch mal'n paar Dönekens, sicherlich versteh' ich's dann.
Oder kannten Sie damals nur die falschen Leute? die falsche Gegend? hatten den falschen Job?
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PS: einen Köter hab ich auch nicht.

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So ganz kann ich es auch nicht nachvollziehen. Als Ex-West-Berliner (dort aufgewachsen) und vor 10 Jahren beruflich nach Frankfurt verweht, bin ich wie mein Vorredner der Meinung, dass der Hass doch arg übertrieben wirkt. Klar gibt es hässliche Ecken, aber eben auch sehr schöne (vor allem im Süd-Westen) und auch die Leute in Berlin sind nicht alle besoffen, häßlich, blöd und böse.

Arm ja, sexy wohl eher nicht und die Hundekacke ist auch ein Problem, aber die hier vertretene Ablehnung ist schwer nachvollziehbar.

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Zugezogener
bin ich ja auch und stimme in vielem überein. U.a. ist Winter in Berlin (Innenstadt) nicht viel mehr als kräftezehrend und bedrückend.
Aber richtig übel sind die Rotzlöffel, die an Ihrem Haus vorbeiziehen und, die Drohung Tat werden lassend, tatsächlich hier aufschlagen und uns die Stadt vollprollen. Das ist kein Spaß und hieß früher manchmal Loveparade. Nicht wenige der übelsten Ecken würden hier längst nicht mehr funktionieren, wenn nicht republikweit die Jugend dächte, hier könne man sich mal so richtig auskotzen.
Aber es stimmt: von nix kommt nix. Ich kann zwar Minga nicht ab, aber derlei Tourismuserscheinungen scheint´s da (außerhalb der Wiesn) nicht zu geben.

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is wohl auch zu teuer. taugt net als Ballermann für die missratenen Söhne besserer Eltern.

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Die Wohnraumpreise in den erfolgreichen Gegenden Sueddeutschlands mit Vollbeschaeftigung sind wirklich hart.
Kuerzlich las ich von Miethaien, die ihre schlecht heizbaren Hinterhofkaschemmen billig sanieren ( Uraltfenster etwas schliefen und ueberlackieren etc) und dann voellig ueberteuert als Altstadtlofts vermieten.
Waere mal was fuer Wikileaks, bayerische Mietvertraege zu veroeffentlichen!

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Auch da dürfte die Welt von Berlin lernen können. Ich habe noch niemanden von außerhalb erlebt, der den Normal-Zustand der Berliner Wohnungen nicht mit Kopfschütteln quittiert hätte. Das ist die erste Prüfung, wenn man hier ankommt: mies muß es sein. Erstmal zum Baumarkt fahren und die notwendigsten Ertüchtigungen vornehmen. Nur so ist man an der Spitze der Avantgarde. Was heute Gentrifizierung ist, hat man sich früher als vorausschauende Hipness auf die Fahnen geschrieben.
(Irgendwann wird es noch Gelegenheit geben, die guten Seiten von Berlin anzuschneiden.)

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don ferrando, sie meinen doch nicht etwa, besagte bayerische Hinterhöfe könnten sich -bis auf die höhere Miete- mit ihren pendants in Berlin messen?

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Ist auch ein Problem des Mietniveaus. Die niedrigen Berliner Mieten haben über Jahrzehnte verhindert, dass die Vermieter Investitionen ins Mietobjekt stecken. Selbst die umlagefähige Sanierung wurde durch Sanierungsgebiete, Kiezbestandsgarantien und unwillige Mieter oft nur sehr bescheiden durchgeführt. Klar ist einiges in Bewegung und das sieht im Prenzlauer Berg anders aus, als im Wedding, und dort anders als in Steglitz oder im Märkischen Viertel. Aber generell ist die Wohnqualität in Berlin schlechter als in anderen deutschen Städten. Teilweise echt grottig. Dass die Berliner deutscher Umzugsmeister waren, hat seinen Teil dazu beigetragen. Im Grunde sind die billigen Mieten vollkommen überteuert und die Wohnungen ihren Mietzins nicht wert.

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