Was ich bedaure

Danach wurde gefragt, als es um 3000 Tage Rebellen ohne Markt ging. Das sind drei Dinge:

1. Ich habe früher viel zu wenig Photos gebracht. Ich merke es, wenn ich zurückblättere, denn die Erinnerung ist da, wenn ich die Bilder sehe. Ich weiss meistens, was ich getan habe, wenn es durch das Auge geht. Die Tage der Texte sind oft verloren. Und ich frage mich, wie es später mal jenen gehen mag, die generell auf Bilder verzichten oder sie klauen. Ich mein, ich kann das begrenzt nachvollziehen - die Bildarmut bei mir hat auch mit manchen Orten zu tun - aber ich denke, man verliert ohne Bilder in der Erinnerung viel, was einem wichtig wäre. So hässlich kann es gar nicht sein, dass es die Erinnerung auslöschen sollte. Vielleicht ist das anderen gar nicht so wichtig, aber für mich ist es wichtig geworden. Dieses Blog ist mein öffentliches Album. Und ich bedaure sehr, dass das Format nicht recht viel weiter wachsen kann. Aber mei: Wenn es zu viele Bilder wären, würde ich mich wegen deren Dominanz ärgern.

2. Rücksichten aus Zwang. Es gab in den letzten Jahren zumindest vier Situationen, wo mir nicht nur oberflächlich, sondern auch im persönlichen Bereich nachgebohrt wurde, und zwar mit klar unfreundlicher Absicht und nachhaltig, also nicht mal nur für einen Nachmittag. Von Leuten aus Medien und/oder Blogs. Teilweise auch Konglomerate von Dreckschweinen, um mal den Terminus Technicus zu verwenden, die sich zu diesem Zweck abgesprochen haben. Ich habe das zwar hin und wieder gehört, aber lange Zeit als Überinterpretation abgetan, bis die Durchstechereien sogar in Richtung Medien gingen. Es gibt zum Glück bei mir nur wenige Überschneidungen zwischen On- und Offline, und ich merke, dass ich stets versuche, diese Grenzen aufrecht zu erhalten, indem ich Leute, wenn sie mir näher sind, umsortiere (die meisten meiner persönlichen Kontakte benutzen so gut wie nie Email, geschweige denn Blogs). Insofern sind die Möglichkeiten, mich wirklich umfassend auszuforschen, nicht wirklich gut. Aber was durch das Blog eventuell möglich war, habe ich nochmal erheblich erschwert, auch wenn das beim Schreiben ein wenig strategisches Denken verlangt. Ich weiss, dass die Dreckschweine mich immer noch überwachen, auch wenn ihre Gruppe physisch kleiner geworden ist, und die Verbleibenden nicht mehr den Antrieb wie früher haben. Schade ist es trotzdem.

3. Falsche Rücksichten. Das mag komisch klingen, aber dieses Blog ist immer noch stark gebremst, weil ich natürlich immer mit dem Verhängnis der Missverständnisse rechne. Und vielleicht auch etwas zu lange damit gerechnet habe, weil bei all den Texten so etwas natürlich immer vorkommen kann. Ich versuche zwar immer bei Bekannten deutlich zu machen, dass man es wirklich merkt, wenn ich mit jemandem streiten will, und dass ich mich nur mit jenen anlege, die auch erwähnt sind, und dass ich Zwischentöne nicht sonderlich schätze, und dass meine Sprache eigentlich nicht gerade changiert - aber das alles reicht mitunter nicht. Allerdings erlebt man halt auch, dass all die Vorsicht nicht genügt. Vielleicht ist es einfach so, dass, wer partout etwas hineinlesen will, immer etwas findet. Dann wäre vielleicht ein wenig Abhärtung im Vorfeld gar nicht schlecht gewesen. Und meine Erfahrung ist auch die, dass all die Vorsicht in diesen Dingen am Ende auch nicht verhindern kann, dass ganz andere Gründe die entscheidenden Probleme verursachen.

Insofern, für die nächsten 3000 Tage: Mehr Bilder, mehr Wurschtigkeit, und lieber einmal zu oft geflunkert, als einmal zu oft eine Blösse gegeben.

Samstag, 25. Februar 2012, 12:46, von donalphons | |comment

 
Auf die nächsten 3000 Tage
Werter Don, so ist nun mal das Leben. Egal ob Kunstfigur oder nicht, im Leben geht es rau zu. Seien Sie froh, dass Sie sich weniger im täglichen K(r)ampf in einer Firma behaupten müssen. Nervige Chefs, unangenehme Kollegen, langweilige Aufgaben und das ganze noch mit Prozessen garniert, die einem das Arbeitsleben schön umständlich gestalten. Da weiß man, was man nicht braucht.
Erfreuen Sie sich des Lebens und lassen Sie uns in Ihrem Blog daran teilhaben. Und gedenken Sie derer, bei denen es im Alltagsleben nicht so entspannt zugeht.

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Danke. Ich muss aber zugeben - nd das wäre eventuell Punkt 4 - dass es besonders in den letzten Jahren ein paar Sachen gab, die mit dem Wort "nicht blogtauglich" dezent umschrieben sind. Ich meine nicht die Notreparaturen gestern und vorgestern, mit denen ich in der Nacht um die Toilettenspülung bei einem Mieter kämpfte. Ich mache mein heulendes Elend lieber mit mir selber aus, und da - das darf ich hier versichern - bin ich nicht ganz unbeleckt. Nur lasse ich mir das nicht anmerken.

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/Feines Blog, übrigens)

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Und bitte wieder mehr Musik. Ich bin immer noch für Jordi Savall - Istanbul dankbar....

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Danke sehr. Punkt 4 dürften die meisten ebenfalls haben - aber wer breitet schon sein ganzes Leben vor dem Publikum aus, wenn er nicht gerade in irgendwelchen Containern oder Dschungelcamps hockt? Wer schreibt schon über alles und jedes, die kleinen schmutzigen Dinge, die sich im Privaten abspielen. In dem Sinne ist es schon alles ein wenig Schauspielerei, die geschönte Oberfläche, trotz allem. Aber das ist okay. Bei Raumschiff Enterprise wollten auch nur alle die Aliens und Planetenoberflächen sehen und nicht wie Captain Kirk auf Toilette sitzt und den Bohneneintopf aus der Enterprise-Kantine durch die Schüssel drückt. Wir wissen ja, dass es diese Dinge gibt und wollen sie nicht sehen. Von daher: weitermachen!

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Savall
Öhm, blinder passagier, für Jordi Savall bin ich hier eigentlich zuständig. Neben Istanbul ist übrigens "Mare Nostrum" sehr empfehlenswert. (Und nein, ich bekomme kein Prozente, mir liegt Jordi Savall nur sehr am Herzen, aus Qualitätsgründen.)

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Savall
@Savall: Sie als Salvall-Spezialist, was sagen Sie zu "La Rute de Oriente" bzw. "Hispania-Japon Dialogues"? Die Cover sehen recht gleich aus, allerdings hat "La Rute de Orient" zwei CDs, die Dialoge nur eine CD. Irgendwie erscheint es mir, als wären die "Dialoge" nur eine Art "Light-Version", eine Art "Best of" der "Rute". Ich fühle mich irgendwie verschaukelt. Zu Recht?

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Öhm, ich kannte bis dato "Hispania-Japon Dialogues" noch nicht. Es gibt auch keine Tracklist. Vermutlich eine Halbierung von La Ruta de Oriente. La Ruta ist übrigens mein Lieblingsbuch/SACD. Sehr zu empfehlen. Wenn das Geld keine Rolle spielt, dann sollte man das unbedingt nehmen.

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@Savall: ich habe gerade mal meine "Spanisch-Japanischen Dialoge" mit den Amazon-Tracks von "La Rute" abgeglichen. Es scheint in der Tat so, dass man einfach eine neue CD aus altem Material zusammengestellt hat, gleiches Cover, aber mit neuem Namen - Schwerpunkt Japan. Also die ganzen afrikanisch-indischen Sachen fehlen. Jordi Savall begründet das im Begleitheft mit dem Tsunami und der Atomkatastrophe 2011, auf "La Rute" geht er aber mit keinem Wort ein. Es gibt zwar kleine Unterschiede, so ist das Stück "Reibo" 10 Sekunden länger, Anónimo sogar 2 Minuten länger als auf "La Rute". Trotzdem ist es Recycling. Da ich "La Rute" nicht habe, werde ich mir das Album wohl zulegen und dann die "Dialoge" verkaufen. Unschöne Sache.

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treffend gesagt snuggles, und für den Don: der Tip mit der Kleinmarkthalle ist gut. Da findet sich auch was für Vegetarier, für alle anderen ist eine Gref Völsings Pflicht.

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Definitiv gibt es auch in der Kleinmarkthalle etwas für Vegetarier. Im Zweifel der Stand mit den Pralinen.

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Nun ja... ich sage es mal so: Heuschnupfen und ein letzter Termin Anfang März lassen mich eher ab Pavesi denken denn an die Kleinmarkthalle.

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Ich mag die Kleinmarkthalle, weil sie neben den verschiedenen Märkten und spezialisierten Händlern mit das frischeste Angebot von Frankfurt hat. Gut finde ich auch Sachen drumherum wie das hier: http://www.abenteuer-markt.de/
Allerdings mach ich mir nicht ins Hemd, wenn andere Städte ebenfalls sehr schöne Alternativen haben. Und Pavesi sieht doch auch gut aus. Von daher: guten Appetit.

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Bilder
Ich wiederhole mich hier: Gerade Ihr lockerer Umgang mit Bildern macht das Betrachten reizvoll. Nicht jedes Bild ist es Wert, ausgedruckt oder an die Wand gehängt zu werden. Innerhalb einer Photostrecke haben alle Bilder ihren Platz - auch die, die Ihnen beim genauen Betrachten vielleicht nicht gut erscheinen. Ein Erklärungversuch noch, für die "Bildarmut" der ersten Texte: Die allermeisten Bilder wirken flach und schwach, solange wir den Original-Eindruck des Gesehenen im Kopf haben. Sobald die gestützte Erinnerung überwiegt, erscheinen uns die Bilder laufend besser und wertvoller. Auch Ihre Texte wirken manchmal """hingeschmiert""", dennoch fast immer charmant und eben authenthisch. Danke
Und frei nach Catull: Da nobis centum blogi et unum et milii et unum et altera centum

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......ganz im gegenteil: mehr text, weniger bild.
du kannst gedanken, impulse viel besser zu blatt bringen als die meisten ( obwohl ich zu faul bin zum vergleichen ). das ist fein....nun, die bilder von torten, tarten, schlitten, rennraedern, gemaelden, silberkannen und der linken seite eines silbernen autos........., naja, ich sags mal freundlich.....sind halt bilder :-)

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Oder frei nach André Heller:
Die wahren Bilder sind im Kopf!
Und sind sie nicht in deinem Kopf, dann sind sie nirgendwo!
.
à propos:
"La prochaine fete" ist doch wohl schon in 650 Tagen!
Das waeren dann 10 Jahre!

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Aber mit einem Bild lassen sie sich besser im Kopf wieder auftreiben!

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Asche auf mein Haupt!
Gerade ich muss so ein Zitat niederschreiben?!?
Ich, ein Mensch, der das Haus im Prinzip "nie" ohne Camera verlaesst!
Und das war schon in den 70ern so!
.
Kein Bild zum Zitat,
Dafuer ein anderes
http://img4.fotos-hochladen.net/uploads/cimg9924h6zlgctpqk.jpg
Erinnerungen an "The Prisoner" sind gewollt!
Wer sich noch an "Rover" erinnert, das war die Kugel, welche den Strand bewachte.....

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Nachdem es zum Zitat kein Bild gibt, können wir es einfach vergessen :-)

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Werter Savall,

ich möchre ihre Verdienste nicht zu kurz kommen lassen.

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Anhand von meinen Blogexten
habe ich auch ohne Bild(er) dabei keinerlei Mühe, mich in das jeweilige damals zurückzuversetzen. Wobei es unstrittig ist, dass Bilder der Erinnerung auch nicht zu knapp auf die Sprünge helfen können. Früher waren mir Bilder extrem unwichtig, ich hatte ewig lang keine eigene Kamera, empfand ich immer als lästigen Ballast, der mich vom unmittelbaren Erleben ablenkte (mit zwei fotoverrückten Brüdern weiß ich, wovon ich spreche). Abgesehen von einem lokaljournalistischen Intermezzo waren zu Terminen und Geschichten stets Profi-Pressefotographen beigeordnet, da hatte Selberknipsen auch keine Not.

Den sogenannten "iconic turn" habe ich auch heute noch nicht wirklich mitvollzogen, aber dank der Bloggerei habe ich zumindest ein paar Berührungsängste abgebaut. Zum Mitnehmen einer Kamera muss ich mich freilich immer noch zwingen...

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Sozusagen eine melancholische
Komödie der kleinen Irrungen...?
Nie weiß man was kommt; nachkommt.
Und wie sich gutdünkliche Zähigkeiten entwickeln.

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JA, bitte weiter so, und immer feste druff. Sie sind auch manchmal wirklich zu höflich, angesichts der Schäbigkeiten und des Elends, welches Sie beschreiben. Manches kann man nicht deutlich genug sagen, und manchen nicht laut genug.

Und das schöne ist ja, Sie bleiben immer im haftungs- und strafrechtsfreuen Raum, weil es zwar manchmal dem Ton nach Schmähkritik, dem Inhalt nach aber stets wohlbegründet ist.

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Nicht Bilder, Gerüche sind die Schlüssel zu unsern vergessenen Erinnerungen

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Es gibt Menschen bei denen dominiert das Auge, bei anderen das Ohr. Die einen SEHEN Texte, die anderen HÖREN sie.
Meine Wenigkeit sieht besser und Dinge die ich nur höre sind oft wie Schall und Rauch. Einmal gelesen behalte ich sie meistens (Telefonnummern).
Vielen Dank für die vielen Bilder oft von ungekannten Details in alten Kunstwerken, manchmal auch nur die flachen Feldwege um die Audistadt herum. Erinnert mich daran mich aufs Radl zu schwingen und eine Runde zu drehen.

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Nee, eben nicht "immer feste druff". Das wäre zu plump und deshalb auch meist wirkungslos, zudem schreckt es die paar Gleichgesinnten ab. (Geht mir bei fefe manchmal so).
Wirkungsvoller ist - zumindest hier an dieser Stelle - anderes. Es gibt ja zuhauf historische, literarische Beispiele. Die der Hausherr natürlich kennt und auch gekonnt nutzt.

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Den plumpen Schlag hab ich damit auch nicht gemeint. Gemeint ist, sich keine falsche Zurückhaltung beim Austeilen aufzuerlegen, denn es trifft, so meine Beobachtung, nicht die falschen. In welcher Form das erfolgt, kann man hier immer wieder sehen, und dass das gut zu lesen ist, da bin ich ganz bei Ihnen.

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apropos Kleinmarkthalle
da ist aber eine Fleischwurst "mit Knobi" bei der Frau Schreiber Pflicht (für die Nicht-Vegetarier). Entschuldigung @ Don, der musste sein....

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Ich bin da liberal, ich möchte keinem etwas aufzwingen.

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