Chemiefabrik westlich von Wittenberg

Ich denke, es gibt in Deutschland eine weitgehend ausgeblendete Realität. Vielleicht erlebe ich auch nur die falschen Medien, aber ich sehe manchmal Dinge, die mir niemand zeigt, und ich verstehe nicht, warum das kein Thema ist. Vielleicht interessiert es auch wirklich niemanden, kann sein. Dennoch möchte ich hier ein paar Bilder zeigen.



Einfach auf das Bild klicken - willkommen in Deutschland. Hier ist der 2. Teil der Serie.

Montag, 11. April 2005, 15:57, von donalphons | |comment

 
"Eine Glastür erleichtert das Eintreten natürlich erheblich."

Schön gesagt.

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Da drinnen hat man sich alle Mühe gegeben, das Ding zu zerstören. Ich vermute, dass man sich dabei schon solche stzrategischen Fragen gestellt hat.

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Erinnert mich stark an Bilder aus Tschernobyl (auch die anderen Kapitel auf dieser Site sind übrigens sehenswert) .

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Ich habe diese Tschernobylbilder sehr gern gemocht und habe da auch noch was für morgen...

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Tschernobylbilder
Gerade letzte Woche habe ich erfahren, dass die Seite ein halber Hoax ist - zwar sind die Bilder größtenteils echt, die Story "alleine mit dem Motorrad durch die Todeszone" aber wohl eher nicht. War ich der allerletzte, der das erfahren hat?

http://www.museumofhoaxes.com/hoax/weblog/chernobyl_trip/

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Das war wohl schon länger bekannt, aber das ändert für mich gar nichts an der Aussagekraft der Bilder. Man hat das verdrängt, vergessen, und dann kam eben diese Seite und hat es wieder ins bewusstsein gebracht. Ob das vom Motorrad aus oder sonstwie geknipst wurde, nimmt den Bildern nichts.

Meine Maschine übrigens: Ducati Monster S2R Fiat Punto 5 Türen 55 PS ;-)

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Interessant (für mich persönlich) wäre es herauszufinden, welche Aussagen Archäologen in einigen hundert Jahren träfen, inspizierten sie dieselben Räume in diesem Zustand. Würden sie auf einen alles vernichtenden, endgültigen Krieg schließen?

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Als Archäologe würde ich das wohl nicht annehmen, dafür ist noch zu viel am Ort. Man würde (korrekt) wahrscheinlich auf einen plötzlichen gesellschaftlichen Niedergang schliessen, gegen den sich die Kultur kurz gewehrt hat, bis dann der Untergang unvermeidlich war und manchmal Plünderer vorbeikommen. Das sieht man dann auch an den Bildern morgen, denn hier gab es wohl noch Anfang/Mitte der 90er Jahre etwas zu tun. Das Ding muss die Wende ein paar Jahre überlebt haben.

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Am rande: Hier fehlen 3 wichtige Kriterien für Krieg: Eine Brandschuttschicht, Spuren von Waffen und eine kurze, systematische Plünderung.

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Die gemusterte Wand deutet auf religiöse oder kultische Handlungen hin. Es könnte sich aber auch nur um eine abstrakte Karte des nördlichen Sternenhimmerls zum Zeitpunkt der Frühjahrssonnenwende handeln.

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Zu abstrakt, und für "kultisch" wohl auch zu billig. Ausserdem sind Sakralbauten nie mit grossen Sichtflächen nach aussen hin geöffnet. Man würde wirklich auf einen Repräsentationsraum schliessen. Auch die lage - an das gebäude rangeklatscht - entspricht nicht einer kultischen Verwendung.

Die einzige, mir auf die Schnelle einfallende Parallele wären manche Burgkapellen des späten Mittelalters, die mit dem Chor über die Aussenmauern hinausragten.

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Man kanns auch überinterpretieren
Dass da strategisches Kalkül bei dem Zerstörungswerk obwaltet hätte, kann ich aus den Bildern so nicht herauslesen. Gesteh ichs offen: Als Kids in einer westdeutschen Industriestadt haben wir auch Spass dran gehabt, unseren Energie-Überschuss mit Randale in leerstehenden und verlassenen Gewerbegebäuden abzureagieren. Da hat man auch nicht aufgehört, solange da noch irgendwo ne intakte Scheibe im Rahmen war. Ist mir im Rückblick zwar peinlich, aber so wars nun mal.

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Zumindest hat man hier nicht nur verwüstet, sondern auch nach verwertbarem gesucht. Geschirr ist zum Beispiel kaum - und wenn dann nur in Scherben - vorhanden. Die Lampenschirme sind alle verschwunden.

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Wie auch immer:
Mich machen diese Bilder irgendwie melancholisch. Diese Mischung aus Verlassenheit und Zerstörung/Plünderung...

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Ganz einfach zu finden: Eine beliebige Autobahnausfahrt im Osten runter, meist im Weichbild der Städte, und schon hat man das Motiv.

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Ich stehe fassungslos vor diesen Bildern und fühle mich erinnert an Argentinien nach dem x-ten Staatsbankrott.

Übrigens gefällt mir dieser fragende Don auf archäologische Spurensuche besser als der Eiferer, der auf alles eine Antwort hat.

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Pathologe - Archäologe...
Hi Pathologe,
in 2000 Jahren, nach ergiebeigen Ausgrabungen wird man sich an das Zeitalter des Glases erinnern. Das wird auf jeden Fall die Zeit überdauern - denn der Hauptstoff - das Siliciumdioxid - ist ziemlich satbil. Alles andere - so ziemlich vergänglich!

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Ein besonders schönes Gefühl für die Situation im Osten stellt sich dann ein, wenn vor so einem Gelände dann noch so ein Schild steht: "Hier entsteht das Büro- und Geschäftszentrum ... blahblah ... Durch diese Maßnahme werden ca. 5000 neue Arbeitsplätze geschaffen"
Dummerweise steht das Schild schon ca. 10 Jahre.

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Hier steht "kostenlos zu vermieten" auf den Glasflächen des zweiten Treppenhauses.

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Das Schild mit den "ca. 5000 neuen Arbeitsplätzen" steht übrigens vor den Resten der ehemaligen Villeroy&Boch-Fabrik. In den übriggebliebenen Gebäudeteilen sind die Böden teilweise noch mit dem Sortiment aus der Gründerzeit gefliest; und zwar wohl jeder Raum mit einem anderen. Das muß dort hunderte verschiedene Muster geben. Auch ein Stück Industriegeschichte.
Im Umkreis von ca. 10 Minuten Fußweg gibt es hier mindestens drei solche oder ähnliche Investitionsruinen. Besonders pikant ist es dann, wenn das Geld des Investors nicht mal mehr für den Abriß der "Altsubstanz" ganz gereicht hat...

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Nachtrag
Hier steht "kostenlos zu vermieten" auf den Glasflächen des zweiten Treppenhauses.
Hätte mich auch gewundert, wenn jemand dafür Miete zahlen würde. Aber man weiß ja nie, vielleicht benötigt man noch Verluste zm Abschreiben, rein steuerlicher Natur?
"Kostenlos zu vermieten" ist sowieso eine selten dämliche Aussage. "Provisionsfrei" passte eher. Sonst stünde diese Aussage ja in einer Reihe mit "entgeltfrei einkaufen" und "wasserlose Seereise".

@ unclemeat:
Auch interessant die Überlegung, ob man die Scherben wieder versucht zusammen zu setzen. Oder das Ganze als eine Art kulturell-religiöse Opferstätte zu interpretieren. Dann kommt zwangsläufig das falsche Bild auf, die Bewohner dieser Regionen wären äußerst religiös gewesen - bezogen auf die Größe und Anzahl der Opferstätten... ;o)

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Die damals zugrundeliegende Weltanschauung wurde schon teilweise mit religiöser Inbrunst zelebriert :-)

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Wittenberg, Wittenberg...ach ja, derletzt schrobst du schon einmal von diesem Ort. Hat er eine besonders einprägsame Autobahnabfahrt oder ist sonst irgendwas von grosser Bedeutung mit ihm? Von dem Umstand abgesehen, dass er fuer pilgerfreudige Amerikaner einen eigenen ICE Haltepunkt bekommen hat, wüßte ich nichts dergleichen aus dem effeff.

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Nein, das war nur ein typischer Tag der Rückreise, und da halte ich, wenn es noch hell ist, gern mal irgendwo an - wie auch schon früher.

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Magdeburg --Halle/Leipzig -- Dresden -- Prag. Und aufmerksam aus dem Zugfenster schauen. Da sieht man sehr viel Verfallenes. Es ist für mich immer wieder erstaunlich, wie wenig auf diese "Rückansicht" der Städte geachtet wird.
Und apropos Wittenberg: vielleicht wollten sie ja ein paar Thesen an die Glastür nageln :-)

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Ganz sicher. Aber die neuen Thesen gefallen mir ebenso wenig wie die alten, und ich fürchte, dass die Folgen für meine Person nicht wirklich besser werden.

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In seinen Thesen
war Luther schon revolutionär. Der Antisemitismus ist einer der schwarzen (oder braunen) Flecke in seinem Wirken.

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Es scheint Regionen in DE zu geben, da wird sowas als Hyperaktions-Anstoss gesehen. Z.B. hier im Arbeitslosen- und Rotsocken-Kleinstaat Dortmund sind dieserart Bilder fast schon nicht mehr möglich (es sei denn, man schmeisst die Fenster selber vorher ein). Es herrscht ein emotional eingefärbtes Wahlkampf-Dekret ähnlich wie "Weg mit den alten Industrien und deren Brachen!", in dessen Fahrwasser Millionen Euronen für den Um- und Neubau zu zukünftig leerstehenden Alt-NE-Incubatoren verbraten werden.

In anderen Region scheint man sich des Verfalls zu schämen oder man verschweigt ihn gänzlich. Ist halt 'ne Frage des Umgangs mit der eigenen Vergangenheit und deren politikgerechten Aufbereitung.

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Ich bezweifle. dass bei Euch so viel kaputt ist. Kommt man von der AB-Ausfahrt Coswig, geht es 17 Kilometer in diesem Stil. Und hinter Wittenberg sieht es noch übler aus.

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Vor 4-5 Jahren die A42/Emscherschnellweg von Castrop über Herne, Gelsenkirchen, Bottrop, Oberhausen nach Duisburg und Du hattest mehr als 50km davon, allerdings naturgemäss mehr Industrie- als Verwaltungsbau-Ruinen und demnach weniger Fenster. Hier ist man halt das Arbeiten im Dunkeln gewohnt;-)

Heute sind's TechnologieZentren & Erlebnisparks, da Wohnen wg. der Bodenbelastungen nicht in Frage kommt (aber man darf die Kids den ganzen Tag durch die alten Stahlwerke jagen).

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Auf Incubatoren etc.kann man hier lang warten. Wer kann, flieht nach Berlin und vergrössert den Slum mit Arbeitslosen.

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Apropos Coswig,
momente mal - Hast Du da was zu tun? Vor 2 Jahren hatte ich Remote-Recherchen gemacht wg. 'ner Erbschaft in Coswig, die dann wg. absolut hoffnungsloser Wertsituation ausgeschlagen wurde. Es ging u.A. um ein relativ grosses Grundstück direkt oberhalb der Bahnstrecke mit einer Gärtnerei drauf.

Da ich so einiges an Bildmaterial einsehen konnte, kann ich Deine Eindrücke jetzt vollends bestätigen - fast schon so wie in einigen Strassen auf Schalke;-). Nur kam damals noch absolute Hoffnungslosigkeit der Coswig-Bewohner hinzu. Da setzte keiner mehr was auf Zukunft...

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Ich habe seit Anfang 03 einen grösseren Bild-Essay über Industrieruienen und ihren Zerfall in Coswig/Vockerode gemacht. An der Autobahn rührt sich ein klein wenig, in manchen Industriegebäuden ist noch was, aber generell würde ich sagen, dass der Fall hoffnungslos ist. Da ist so viel kaputt, da hat auch der Elbe-Biosphären-Tourismus keine Chance.

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Ich hab davor und danach auch nie mehr erlebt, dass mir Vertreter von zwei örtlichen Banken unabhängig "Hier ist nix mehr zu holen" zuseufzten. In Coswig geht das anscheinend. Selbst zum Sterben zu öde...

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Vockerode und Neustadt/Orla sind noch übler - bis zu 60% Einwohnerverlust. Auch Dessau hat ganze spätstalinistische Viertel, die nie wieder was werden. Und desto weiter man nach Osten kommt...

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Ihr habt Angst. Richtig? Solltet ihr auch haben. Die Leute, die so etwas zum Spaß anrichten, haben nichts mehr zu verlieren. Und irgendwann geht es nicht mehr nur Ruinen an den Kragen, sondern den Besitzenden selbst und ihren heiligen Hallen. Und zu den Besitzenden gehört ihr doch alle, oder?

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Angst vor den Ausgegrenzten, Entrechteten, Enteigneten hat hier niemand. @ Don: warst Du mal in Südbelgien, in der Wallonie? Ich glaube, die Industriebrachen dort sind noch größer und noch runtergekommener.

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Um die Einrichtungsgegenstände
im verlassenen Verwaltungsgebäude eines DDR-Betriebs kaputtzuschlagen, muss man nicht arm, ausgegrenzt oder entrechtet sein. Manche "normalen" Leute machen das auch zum Vergnügen. Und die Voraussetzungen für eine Revolution sind hier in DE wirklich nicht erfüllt: weder nach historischen Erfahrungen noch nach der Theorie.

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Ich habe in Neustadt ziemlich lang mit den Leuten recherchiert - dort sind die alten Fabriken wie eine Perlenkette an der Orla aufgereiht, und da existiert absolut nichts mehr. Dort ist es noch schlimmer, weil es auch keinen Tourismus gibt. Nur Neonazis, die 13-jährigen Schülerinnen am Tag auf dem Marktplatz den Arm brechen.

Die Firmen sind genauso verwüstet, eine davon ist wohl die "Ordensburg" der Neonazis. Die Menschen dort stehen allem vollkommen lethargisch gegenüber. Nur ein paar Schüler haben sich gewehrt. Aber seitdem die das Abitur haben, sind sie weg. Und jetzt rottet der Ort weiter.

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Zu den ostdeutschen Brachen gibt es ein wunderschönes Gegenbild aus der Munich Area, genauer: aus Hallbergmoos. Dort sind keine Fenster eingeschmissen, die Immobilien sind aber genauso leer. Und davor stehen flehentliche, 30 Quadratmeter große Schilder der Immobilienmakler mit der Aufschrift "Bitte bitte miete mich". Oder so ähnlich.

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Man nannte es "Siemens Business Center of E-Excellence". Aber das Buffet war verdammt gut, bei der Eröffnung. Und Pierer sprach damals die magischen Worte: "Siemens ist New Economy with substance."

Die Legende besagt, dass bald darauf die Siemens-PR losziehen und die Redaktionen betteln musste, das Zitat aus den Online-Ausgaben zu streichen. Ist aber nur eine Legende.

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Eine Legende wie der Herr in beige, wie?

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noch legendärer

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Ich muss ja gestehen, dass meine München-Wahrnehmung stark durch Hallbergmoos und die Schwere-Reiter-Straße geprägt ist. Das, das Glockenbergviertel und ein paar Museen, das ist für mich München.

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