"Meine sehr verehrte Damen und Herren, ich trete hiermit von meinem Amt als Bundespräsident zurück (blablabla).
In den letzten Wochen sind verschiedene meiner Handlungen unter die Lupe genommen worden. Dabei ist einiges ans Licht gekommen, was nicht einwandfrei war. Es kann keine Entschuldigung sein, aber ich möchte doch zu meiner Rechtfertigung an dieser Stelle sagen, dass ich zu einer Zeit Politiker geworden bin, als Geben und Nehmen zwischen Politik und Wirtschaft noch völlig selbstverständlich war. Viele meiner Kollegen und einige meiner Vorgänger hier im Amt haben großen materiellen Profit aus ihrer Stellung ziehen können. Die Presse wusste davon und hat es stillschweigend toleriert. Ich konnte also in meinen beruflichen Anfangsjahren davon ausgehen, dass auch mir solche Segnungen zugute würden kommen. Doch nun ist plötzlich alles anders, und das habe ich zu spät gemerkt. Jetzt habe ich nichts mehr zu verlieren außer meinen Ruhestandsbezügen. Deshalb möchte ich hier über etwas sprechen, worüber normalerweise kein Politiker jemals spricht: dass nämlich diese Tradition gegenseitiger Vorteilsnahme sich auch in Ihrer Zunft, verehrte Vetreter der Presse, seit langem etabliert hat. Viele von Ihnen erhalten von Unternehmen aller Art Vergünstigungen - kostenlose Hotelaufenthalte etwa, Rabatte auf Neuwagen oder teure Handtaschen. Im Gegenzug berichten Sie positiv über bestimmte Urlaubsregionen, das privates Rentensystem, über den Nutzen von Versicherungen aller Art oder über Edelrestaurants, die sonst nie eine so positive Erwähnung in Ihrem Medium erfahren hätten. Dieses System des "Marketings", zu dem auch der schöne Begriff "Presserabatt" gehört, hat sich inzwischen so etabliert, dass etwa in ganzes Magazin einer namhaften süddeutsche Zeitung darauf basiert. Häufig ist für die Leser dort nicht mehr erkennbar, dass ein scheinbar redaktioneller Beitrag eigentlich nichts anderes ist als Werbung für bestimmte Produkte. Bedauerlicherweise wissen die meisten Ihrer Leser, Hörer oder Zuschauer insgesamt nur wenig oder nichts über derartige Einflüsse auf Ihre Berichterstattung. Sie können daher den wirklichen Informations- und Wahrheitsgehalt Ihrer Beiträge nicht einordnen. Das grenzt an Betrug - so wie auch mein Verhalten, über das Sie so umfassend berichtet haben an Betrug grenzte - oder es sogar war, aber da möchte ich mich wirklich nicht festlegen.
Ich sehe ein, sehr geehrte Damen und Herren, dass die Politik strengere Verhaltensregeln braucht. Ich will hier auch den Lobbyismus erwähnen, durch den die Inhalte unserer Gesetze bestimmt werden. Der jetzige Zustand Europas ist zum Teil auf diese fatalen Mauscheleien zwischen den Interessensgruppen und der Politik zurückzuführen. Doch nicht nur in diesen Bereichen braucht es strengere Regeln, sondern auch bei Ihrer Zunft, die Presse. Ich würde mich freuen, wenn diese Rede anlässlich meines zugegeben unrühmlichea Abgang wenigstens bewirken würde, dass eine Diskussion über das eben Gesagte in Gang kommt."